Journalisten nutzen das Web zum Recherchieren, Publizieren und Diskutieren. Zurückhaltung ist bei den Medienschaffenden beim «Publizieren» zu spüren. In einer qualitativen Studie untersuchten wir den journalistischen Alltag im Web.
Die gemeinsame Studie mit dem Institut für Angewandte Wissenschaft IAM der ZHAW erscheint nächste Woche. In ausführlichen Gesprächen mit 18 Journalistinnen und Journalisten (Blogserie dazu) erfuhren wir mehr über das Web als Werkzeug zum Recherchieren, Publizieren und Diskutieren.
Die Mühe mit der Selbstdarstellung
Social Media – allen voran Twitter und Facebook – bieten den Medienschaffenden die Chance, ihre eigene «Online-Marke» aufzubauen. Diese erlaubt ihnen auch, sich verlagsunabhängig journalistisch darzustellen. Zwar nutzen dies einige bereits, gesamthaft ist jedoch Zurückhaltung spürbar. Diese hat mit einer gewissen Scham vor der Selbstdarstellung zu tun und mit Skepsis gegenüber der unjournalistisch, emotional und meinungsorientiert gefärbten Webkultur. Hier ortet man auch Risiken in der Abgrenzung zwischen Beruf und Privat.
Guidelines für Medienschaffende: wenig etabliert, kaum beachtet
Bei der Trennung von Privatem und Redaktionellem geht die Meinung auseinander: Ein grösserer Teil spricht sich für eine klare Trennung oder Kennzeichnung aus, eine Minderheit glaubt, dass sich diese Trennung eh nicht aufrechterhalten lässt. Die fehlende Einigkeit in dieser Frage zeigt sich auch im Umgang mit Top-down-Verordnungen und Regelungen: Wenn die Befragten überhaupt Kenntnis haben von Guidelines, beachten sie diese kaum.
To-Dos für Medienschaffende
Die Studie enthält neben den Portraits und Auswertungen der Gespräche auch konkrete Tipps für Medien- und PR-Schaffende. Beim Publizieren haben sich diese To-Dos für die Medien herauskristallisiert:
- Selbstpositionierung oder Positionierung der Redaktion?
Hier definiert der Verlag und die Journalisten, welche Freiheiten geboten sind und in welchem Rahmen für die Redaktion kommuniziert wird. - Stories mit Dialogpotenzial kanalgerecht verteilen
Weg vom eher zufälligen Aussenden. Hin zum bewussten verteilten und kanalgerecht eingesetzten Inhalt. - Ereignisbezogene Tests
Wer erste Schritte gehen will, kann ereignisbezogen Testen: Eine politische Wahl, ein Sportevent, ein lokales Grossereignis – hier lässt sich die Online-Dynamik zeitgebunden testen und das eigene Wirken reflektieren.
Die PR-Seite profitiert von der neuen Art des Publizierens und dem teilweise neu gelebten Selbstbewusstsein der Journalistinnen und Journalisten. Wie das Medienpublikum auch, wird der Absender besser sicht- und spürbar. Seine Interessen und Schwerpunkte lassen sich erkennen. Im besten Fall unterstützt dies das gegenseitige Verständnis.
In einem weiteren Blogbeitrag beleuchten wir das «Recherchieren».
Die ganze Studie ist als Buch und E-Book erhältlich.
Weiterführende Informationen:
alle bernetblog-Beiträge und Portraits zu «Journalisten im Web»