Es gibt unendlich viele dieser rhetorischen Bälle ins Aus. Satzanfänge zum Augenrollen. Wie zum Beispiel «Manchmal habe ich das Gefühl, dass …» oder ähnlich. Sie drücken eine gewisse Wortlosigkeit aus, mit gleichzeitiger Selbstüberschätzung. Eine Auswahl:
1. Was ich nicht ganz verstehe: … – Der Wunsch nach Aufklärung? Oder fehlt nicht einfach der Wille zuzuhören und die eigene Meinung zu hinterfragen? Wissenschaft ist nie ganz «fertig» und immer in Bewegung. Wer verstehen will, muss zuhören und dranbleiben.
2. Mich wundert ja schon, … – «Mensch ärgere Dich nicht – wundere Dich bloss», pflegte mein Lehrer Leutenegger seelig zu sagen. Ein schöner Ansatz, den Ärger in die Faszination umzuleiten. Das Wundern bleibt eine vage Provokation.
3. Man sollte/müsste halt jetzt: … – Modalverben sind nicht die beste (Wort-) Wahl und gern gebrauchte Füllwörter. Wenn dann noch der Konjunktiv dazu kommt. Dann müsste man darüber reden.
4. Es ist doch ganz einfach: … – Ist es eben nicht. Sondern hochkomplex. Und aus dieser Komplexitätsfalle kommen wir auch nicht mehr raus. Das wird uns in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft immer stärker beschäftigen.
5. Kann es denn sein, dass… – Ja! Die rhetorische Frage lässt sich immer mit «Ja, es kann!» beantworten. Noch ärgerlicher werden Steigerungen auf «Es darf doch nicht sein…» oder «Wo kämen wir denn hin…». Alles wunderbar erzählt vom Kabarettisten Simon Enzler über «Leserbriefe».
6. Wie ist es möglich, dass… – Im rhetorischen Leiterspiel rutschen wir wieder sechs Felder zurück auf das fehlende Verständnis und die Verwunderung. Ja, wie ist es denn möglich? Es gibt tausend Gründe, welche Besagtes möglich machten. Mit grosser Sicherheit wird dieses Gespräch den einen richtigen nicht nennen.
7. Der einzige Weg ist jetzt… – Ganz sicher nicht. Dies ist der Weg, den du jetzt siehst. Es gibt tausend andere. Besser: Ambivalenz zulassen, seine eigenen Bilder mit anderen abgleichen und auch mal loslassen.
Passend zu diesen ermüdenden Satzanfängen sagte die Schriftstellerin Juli Zeh kürzlich im Interview der NZZ am Sonntag (Paywall): «Die eigene Subjektive ist heute für viele auch immer gleich eine Totale. Dabei ist es ja so, dass die eigene Subjektive immer begleitet wird von acht Milliarden anderen Subjektiven, die zusammen das ergeben, was wir Realität nennen. (…) Viele meinen, etwas sagen zu müssen, weil sie etwas sagen können – und zwar zu allem und so aufgeregt wie möglich. Wenn man nicht aufgeregt ist, kann man sich ja nicht pointiert äussern. Es gibt heute einen Empörungsimperativ, der immer total ist.»
Achtsame Sprache in drei Schritten: Zuhören, entspannen, nachdenken
Gefeit vor dieser Rhetorik ist niemand. Im privaten, lockeren Gespräch werden die Sätze immer wieder fallen. Als Kommunikations-Profis, beim Moderieren von Gesprächen oder Redenschreiben braucht es aber Achtsamkeit – auch ein Modebegriff, aber hier wirklich passend. Vielleicht helfen diese drei Schritte:
- Zuhören: Nicht darauf warten, die eigenen Botschaften zu platzieren. Was sagt mein Gegenüber – und was meint es damit? Kann ich etwas dazu beitragen? In welche Richtung kann das Gespräch gehen, damit es beidseitig gut tut?
- Entspannen: Tempo und Lautstärke von Gesprächen nehmen zu in schwierigen Situationen. Eine Drei-Sekunden-Pause und ein langer Atemzug vor jeder Antwort entschleunigt und bringt Fokus.
- Nachdenken: Wo stehen wir im Prozess, im Gespräch, im Text? Wohin kann uns die Situation bestmöglich führen? Der Perspektiv-Wechsel (Vogelschau) entspannt und öffnet das Gespräch.
Wer erinnert sich? Z.E.N. war vor Ewigkeit (1981 – 1995) eine meditative 5-Minuten-TV-Sendung im deutschsprachigen Raum mit schönen Bildern und literarischen Einwürfen. Das Z stand für Zuschauen. Dieses 5-minütige Innehalten ist aktueller denn je. Zu diesen Gedanken inspirierte mich auch der Beitrag «10 words and phrases to stop saying in 2021» bei FastCompany über Wörter wie «if», «just», «think», «should have» und mehr.
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