8155 Interessen im Bundeshaus

Verschiedene Organisationen und Branchen sind stark im Schweizer Parlament vernetzt. Die Medien und die PR-Organisationen spielen eine wichtige Rolle in der Interessensvertretung. Ein Realitätscheck.
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Die Public-Affairs-Landschaft in der Schweiz ist eine Unbekannte, es gibt keine zentrale Anlaufstelle, kein Branchenüberwacher oder regelmässig publizierte Zahlen – im Vergleich zu unseren Nachbarländern läuft vieles informell. Gesetzlich verankert und öffentlich einsehbar sind nur die Beziehungen von Organisationen oder Interessensvertretern zu den Parlamentariern (Parlamentsgesetz, Art. 4 und Art. 69).

Die Website lobbywatch.ch versucht seit einigen Jahren diese Wissenslücke zu füllen. Ein Team um die Co-Präsidenten und Beobachter-Journalisten Thomas Angeli und Otto Hostettler beobachtet und recherchiert die Interessensbindungen der National- und Ständeräte und stellt diesen Datensatz als Open-Source-Datei zur Verführung. Im Rahmen meiner Masterarbeit habe ich diese ausgewertet.

8155 Organisationen vernetzt im Bundeshaus
Das Schweizer Parlament ist mit den gesellschaftlichen Organisationen eng vernetzt. Darunter sind grosse Organisationen wie die Economiesuisse und kleinere Organisationen, die nur wenige Akteure verbinden. Lobbywatch gruppiert alle Interessensgruppen in insgesamt 14 Branchen (siehe Grafik 1). Diese lassen sich unterteilen in 139 Lobbygruppen. Dahinter stehen 8’155 Organisationen, die sich politisch organisiert haben, um ihre Anliegen in die Politik zu bringen.

Grafik 1: Anzahl Verbindungen pro Branche ins CH-Parlament

Starke Kräfte in Bern
Die Wirtschaft ist die stärkste Kraft unter der Bundeshauskuppel, das überrascht kaum. 2’476 Organisationen üben einen direkten oder indirekten Einfluss in Bundesbern aus. Das sind 30,3 Prozent aller vertretenen Interessen auf Bundesebene. Die stärksten Interessensgruppierungen innerhalb der Wirtschaft sind die Hauseigentümer (273), gefolgt von der Tourismus- und Gastronomiebranche (214) und den KMU/Gewerbeorganisationen/Arbeitgebern (150) (siehe Grafik 2).

Nur an zweiter Stelle folgen die politischen Interessen (993 Organisationen). Das erstaunt insofern, als dass die gewählten Parlamentarier einen direkten Zugang zum Schweizerischen Entscheidungssystem haben. Dafür sind politischen Parteien die am stärksten organisierte Lobby in der Schweiz (siehe Grafik 2). Ob die Wirtschaft oder die Politik die stärkste Kraft in Bundesbern ist, diese Frage lässt sich mit dem Datensatz nicht beantworten. Die einzelnen Verbindungen geben keinen Rückschluss auf die Intensität und Wichtigkeit. Es ist durchaus möglich, dass politische Interessen trotz einer tieferen «Interessensquote» einen grösseren Einfluss haben als die Wirtschaft.

Grafik 2: Die stärksten Lobbys in der Schweiz

Wie einflussreich sind Medien und PR-Agenturen?
An zweitletzter Stelle ist die Kommunikationsbranche mit 239 Interessensverbindungen organisiert. Keiner der Lobbygruppe ist sonderlich stark. Die Printmedien kommen auf 68 Verbindungen, die elektronischen Medien auf 51 und die Gruppe Medien allgemein auf 38. Haben die Medien in Bundesbern also kein Gewicht? Darauf würde die Kommunikationswissenschaft vermutlich antworten, dass die Medien dank ihrer eigenen Publizität über ein Instrument der Interessensvermittlung verfügen und deshalb keine überproportionale Vertretung in Bern nötig haben. Ihre kritische Berichterstattung reicht aus, um sich in Bundesbern Gehör zu verschaffen.

Und was ist mit dem Bereich Public Relations? Dieser ist nicht in der Branche «Kommunikation» angesiedelt, sondern in der «Wirtschaft» und wird dort mit der Unternehmensberatung zusammengefasst. Dort gehört er zu der fünftstärksten Lobby (221 Verbindungen). Dies kann daran liegen, dass in den Public Relations Agenturen Interessensvertreter direkte Verbindungen zu Bern unterhalten. Diese Aussage stützt eine Analyse von Ronny Nicolussi im Jahr 2014, die in der NZZ publiziert wurde. Dort wurden die PR-Vertretenden als grösste Berufsgruppe identifiziert, die einen persönlichen Badge zum Bundeshaus besitzen.

Eine Momentaufnahme
Was bedeuten diese Ergebnisse für die Public-Affairs-Landschaft Schweiz? Sie sind nur eine Momentaufnahme, die dem oder der Interessierten einen Überblick verschafft, was in der Schweiz diskret behandelt wird. Die Interessensvertretung und Beeinflussung von Parlamentarierinnen und Parlamentariern im Hinblick auf wichtige Entscheide in Bundesbern.

Weiterführende Links

Bild: Andreas Fisching auf Unsplash 

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