Ich fand ein twitterndes Restaurant und entdeckte einen neuen Ort für Essen, Inspiration und Austausch. Karl der Grosse der Stadt Zürich ist ein Restaurant und Debattierort – und auf Twitter präsent. Sabine Gysi ist Programmverantwortliche bei Karl der Grosse und federführend beim Twitter-Account. Sie beantwortet unsere Fragen aus der Rubrik «Twitter im Profil» und erzählt, mit welchem Ziel man twittert und was für sie Erfolg langfristig ausmacht.
Karl der Grosse bezeichnet in einem Tweet Bier und Politik als seine Kernkompetenzen. Dies eint die verschiedenen Themen der Tweets sehr treffend. Denn gezwitschert wird abwechslungsreich: Vom Veranstaltungshinweis über den Mittagsmenü-Tweet bis zur live Berichterstattung von der Podiumsdiskussion. Auf Twitter ist @Karl_Zuerich seit September 2013 präsent – zeitgleich mit dem Start der neuen Website. Diese zeigt die Tätigkeitsfelder Restaurant, eigene Veranstaltungen wie der Stammtisch, Podien, das Erzählcafé oder Quizduell und auch Raumvermietungen.
Themenvielfalt auf zahlreichen Kanälen
Auffällig ist die starke Social Media Einbindung auf der Website. Über das Tool RebelMouse wird «Social Karl» angezeigt – alle Beiträge von und über Karl der Grosse die es online gibt. Das gibt dem Website-Besucher einen guten Überblick über die Aktivitäten und Kanäle. Twitter, Facebook, Instagram und Google+ werden von Sabine Gysi, früher bei Blogwerk tätig, und ihrem Team einzeln bewirtschaftet. Der Fokus liegt auf Twitter. Der Blog wird von einem Autorenteam von rund zehn Personen geschrieben – intern und extern. Die Liste der Autoren zeigt die Themenvielfalt von Karl anschaulich. Aufgefallen ist mir Philipp Meier, ehemaliger Mitwirkender beim Cabaret Voltaire und heute unter anderem bei watson, der Party Partei und bekannt als Social Milieu König. Oder Christoph Sigrist , Pfarrer, Dozent und Präsident des Spendenparlaments, mit kurzen Geschichten aus seinem Alltag. Die Wrongbrothers bereichern den Blog mit Kunst in Form von Text und Bild. Bei allen Autoren besteht ein Post oft aus nur zwei Sätzen, einem Bild oder einem Gedicht.
Wieso ist Karl der Grosse auf Twitter vertreten?
Vor knapp zehn Monaten ist Karl der Grosse mit einem neuen Konzept in die Saison gestartet: Unser Haus will eine Plattform sein für die Debatte über alles, was Zürich bewegt – Politisches, Gesellschaftliches, Wirtschaft, Kultur, Medien, etc. Gerade was unsere eigenen Veranstaltungen betrifft, müssen wir erstmal ein Netzwerk in all diesen Bereichen aufbauen. Dass wir dafür unter anderem Twitter einsetzen, war von Anfang an klar. Weil wir Social Media schon früh bewusst in unser Konzept integriert haben, haben wir z.B. auch RebelMouse in unsere Website eingebunden. (Anmerkung bernetblog: Das Tool RebelMouse dient hier als Newsaggregator der Online-Beiträge zu Karl der Grosse anzeigt).
Auf Twitter können wir mit Lokalpolitikern, Journalisten, Kulturschaffenden, Vertretern von Thinktanks, aber auch Häusern mit ähnlichen Ausrichtungen in einen Dialog treten. So bauen wir allmählich ein Bewusstsein auf, dass Karl der Grosse ein Ort ist, an dem öffentliche Auseinandersetzungen, Streit und meinungsbildende Diskussionen ausgetragen werden.
Welches inhaltliche Konzept besteht für den Auftritt?
Das Konzept entwickelt sich Schritt für Schritt, parallel zum Konzept von Karl der Grosse weiter. Hauptsächlich geht es uns natürlich darum, unser Angebot zu verbreiten: Unsere Veranstaltungen, die Artikel in unserem Blog, der ebenfalls Teil der Debattier-Plattform ist (z.B. während der Stadtratswahlen waren zwei «Wahlbeobachter» sehr aktiv), aber genauso natürlich das gute Essen im Restaurant Karl. Und last but not least die Möglichkeit, günstige Räume für Seminare, Sitzungen oder öffentliche Veranstaltungen zu mieten.
Dass wir nur Interesse wecken können, wenn sich Karl als Twitterer auch selbst für das Geschehen in der Stadt Zürich interessiert, war von Beginn weg Teil des Konzepts. Dann wird es tatsächlich möglich, dass beispielsweise der Grundstein für eine Kooperation auf Twitter gelegt wird. Später, wenn erste Treffen stattgefunden haben und man gemeinsam die ersten Veranstaltungen organisiert, helfen Tweets dabei, die Zusammenarbeit zu intensivieren.
Wie gross ist der Zeitwaufwand und twittern Sie immer selbst?
Ungefähr 60-80 Prozent der Tweets auf Karls Twitter-Account stammen von mir. Ausserdem twittern die anderen Mitglieder unseres erweiterten Programmteams. Es ist schwierig, den Zeitaufwand einzuschätzen, weil das Twittern häufig «zwischendurch» passiert. Ich würde aber sagen, dass wir pro Wochentag für sämtliche Social-Media-Aktivitäten inkl. Twitter insgesamt 30 bis 60 Minuten aufwenden. Darin inbegriffen sind auch Peaks wie Live-Twitter-Sessions bei einigen unserer Veranstaltungen. Und ich rechne dazu auch Tweets, die wir vom Programmteam über unsere eigenen Twitter-Accounts absetzen.
Lohnt es sich?
Karls Twitter-Account steckt in den Kinderschuhen. Es ist zu früh, um Bilanz zu ziehen. Vorläufig haben wir auch keine quantitativen Ziele und geben uns nicht vor, dass unser Haus dank Twitter soundso viele zusätzliche Besucher haben muss. Das wäre auch nicht ganz einfach zu erheben. Wenn wir aber den Fokus auf die qualitativen Ziele richten, dann kann man sagen, dass sich das Twittern – zusammen mit allen weiteren Bemühungen ums Netzwerken und Bekanntmachen – zweifellos lohnt. Einige Kooperationen und Veranstaltungen wären vermutlich ohne Twitter nicht zustande gekommen. Wir konnten Neugier wecken für unsere Podiumsdiskussionen und Stammtische, und wir regen immer mal wieder den Appetit an mit den Mittagessen-Tweets.
Was ist die wichtigste Erfahrung mit der Twitter-Präsenz?
Wenn man mit einem Twitter-Account bei Null anfängt und keine Sensation zu bieten hat, entwickelt sich die Follower-Zahl am Anfang nicht rasant. Es ist wichtig, dass man weitertwittert. Und: Gerade bei einem Haus, wo vieles in einem ziemlich intimen Rahmen stattfindet – wo sonst kann man mit Stadt- und Gemeinderäten zu Mittag essen? – ist es unabdingbar, dass mehrere Mitarbeiter auch über ihre privaten Accounts twittern. Daran arbeite ich noch. Aber einige konnte ich bereits begeistern, darunter den Leiter des Hauses. Zusammenfassend: Wenn das Twittern für die Mitarbeitenden im Alltag nicht zum Reflex wird, ist es wohl für eine Organisation kaum möglich, erfolgreich auf Twitter präsent zu sein.
Karl der Grosse – einer zum folgen
Was es zum Erfolg von Twitter braucht, sagt Sabine Gysi, ist Geduld und Engagement. Dass Twitter als selbstverständlicher Kanal etabliert ist im Haus und nicht nur Karl twittert, sondern auch das Team. Dies führt zu mehr Reichweite – die langsam aufgebaut wird. Ich fragte mich: Wo war Karl die ganze Zeit? Knappe zehn Monate sind eine erste Phase, in der laut Sabine Gysi das Programm und die Präsenz ganz bewusst gemächlich aufgebaut wurde. Aus meiner Sicht erfolgreich. Wünschenswert wären sicher noch mehr Verlinkungen und Retweets mit «bekannten» Gesichtern und Institutionen auf Twitter. Auch offline Hinweise zu aktuellen Veranstaltungen neben dem gedruckten Programm würden mich auf die spannenden Veranstaltungen hinweisen. Ich bin froh, hat die Lage in Büro-Nähe dazu geführt, dass ich ihm nun auf Twitter folge. Ich bleibe so nicht nur bei den Menüs, sondern auch beim Programm auf dem Laufenden.
Weiterführende Links
– alle Beiträge der Serie «Twitter im Profil»
– Bernetblog Beitrag «Twitter: Eine Momentaufnahme»
– Bernetblog Beitrag «Schreiben für Twitter: Tipps für Geschichten in 140 Zeichen»
– Twitter- Leitfaden auf Slideshare oder auf unserer Wissensplattform bernet.ch/wissen als PDF