Im dritten und letzten blogsofa-Ausschnitt blickt FAZ-Geschäftsleiter Tobias Trevisan in die Zukunft der Journalisten und der bernetblog zieht ein Fazit aus dem Gespräch.
Wo werde ich die FAZ in zehn Jahren lesen? Tobias Trevisan meint: gemütlich beim Kaffee. Das entspricht meiner Lieblingsvorstellung. Denn so lese ich Zeitungen schon heute am liebsten. Fern von iPhone, Twitter und bernetblog. Aber vielleicht bleibt nur für die Alten wie mich alles beim Alten?
Herr Trevisan: Wohin führt die Online-Strategie der FAZ?
Für mich steht Wertschöpfung vor Reichweite. Das heisst: Wir heben uns dort ab, wo wir auch Geld verdienen können. Ich weiss, das ist nicht einfach im Web. Und auch nicht immer möglich. Wir wollen präsent sein mit einem sehr aktuellen, schnellen und qualitativ hochstehenden Online-Angebot, passend zu unserer Reputation. Die Wertschöpfung pro Nutzer liegt zum Beispiel bei der Trading-Plattform onvista.de rund zehnmal höher als auf faz.net. Mit dem neuen Finanzportal auf fazfinance.net wollen wir unsere Wertschöpfung erhöhen, indem wir redaktionellen Gehalt mit Beratungstools und Finanzdaten kombinieren.
Was müssen Journalistinnen und Journalisten in zehn Jahren besser können als heute?
Sie müssen sich noch stärker mit der Frage beschäftigen, welche Qualitäten nachgefragt werden. Ich glaube, dass die Zukunft eine weitere Spezialisierung von Inhalten und Formaten bringen wird. Online wird sich das Angebot weiter atomisieren, mit einer Vielzahl von Inhalts-Anbietern.
Und wer sagt denn den Journalisten, was nachgefragte Qualität ist? Die Marktforschung, die Nutzung des Angebots oder der Dialog mit den Lesern. Wobei nicht einfach die Masse zählt, wie Tobias Trevisan in diesem Gesprächs-Ausschnitt näher ausführt:
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Fazit: Neue Geschäftsmodelle wagen
Das Gespräch mit Tobias Trevisan hat mir gezeigt, wie anspruchsvoll die Leitung eines grossen, etablierten Verlags ist. Wenn das eigene, über Jahre erfolgreiche Geschäftsmodell durch Suchmaschinen, News-Aggregatoren, Online-Portale konkurriert wird: Wo mache ich mit? Wo schütze ich meine etablierten Margen? Wenn ich mich zu lange gegen das Neue wehre, dann klaut mir jemand die Marktchancen.
So könnte es den etablierten Zeitungen mit ihren verschlossenen Archiven gehen. Klar werden hier noch Einnahmen generiert, aber man verpasst die Gelegenheit, sich Online mit Inhalten zu profilieren und zu etablieren. Ein wenig mehr Öffnung müsste hier drin liegen – siehe übrigens diesen aktuellen Beitrag aus dem Medienspiegel, wo es ums Wieder-Verschliessen der NYT-Archive geht.
Nachhaltig scheint mir die Strategie der FAZ, mit dem Finanzportal wesentlich über den angestammten verlegerischen Bereich hinaus zu gehen. Hier will Trevisan die Glaubwürdigkeit der eigenen Marke und deren Neutralität in ein Online-Geschäftsmodell bringen. Damit verbindet die FAZ bereits bestehende Module wie Artikel, Beratung und Börsendaten auf eine neue Art und Weise. Und bricht damit das Monopol von Banken oder Lieferanten von Finanzdaten. Wie heisst es doch so schön: «Rien ne se crée, rien ne se perd, tous se transforme.»
blogsofa FAZ_1: Deutschlands grösstes Finanzportal?
blogsofa FAZ_2: Offene Archive und Semantik
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