Im April 2023 wurde bekannt, dass die Frauenfussball-Europameisterschaft (WEURO2025) in der Schweiz stattfindet. Eingefleischte Fans freuten sich und hofften, dass durch dieses Turnier der Frauenfussball in der Schweiz mehr Beachtung erfährt und endlich mehr Ressourcen dafür zur Verfügung stehen.
Euphorie und breite Sichtbarkeit
Obwohl das Turnier immer näher rückte, kam die Berichterstattung dazu nicht in die Gänge. Als es dann am 2. Juli 2025 endlich los ging, hinkte das Medienecho immer noch weit hinterher. Mit jedem gespielten Spiel verändert sich etwas: Plötzlich wurde deutlich, dass der positive Vibe des Turniers in der Bevölkerung angekommen ist und eine breitere Basis dahintersteht als angenommen. Die Berichterstattung deckte sich endlich mit der Euphorie an den Spielen und auf der Strasse. Der Frauenfussball hatte plötzlich eine breite Sichtbarkeit, wurde gefeiert und war besetzt mit positiven Emotionen und fussballerischem Können.
Das Turnier ist jetzt drei Monate her. «Frauen im Fussball -Hype vorbei oder Startschuss für mehr?» war deshalb auch der Titel des Gisler-Talks Ende November 2025. Corine Turrini Flury und Tamara Santucci vom Verein FUSSBALL KANN MEHR – SCHWEIZ engagieren sich seit Jahren für den Frauenfussball und gaben einen Einblick in das Potenzial von Frauen im Fussball.
Ressourcen entscheiden Karrieren
Obwohl die Berichterstattung zum Frauenfussball seit dem Turnier wieder stark zurückgegangen ist, zeigen Corine und Tamara auf, dass sich in der AXA Women’s Super League (Nationalliga A der Frauen, kurz AWSL) nach neun gespielten Runden dieser Saison 62% mehr Fans an die Spiele kommen als noch vor einem Jahr. Zudem finden die Spiele der grösseren Clubs in grösseren Stadien statt.
Die Sichtbarkeit des Frauenfussballs ist der Schlüssel: Wichtig für die Entwicklung des Frauenfussballs sind die Ressourcen, damit sich das Potenzial der Frauen bestmöglich entwickeln kann. Wer neben der professionellen Fussballkarriere noch einem Job nachgehen muss, hat weniger Trainings- und Erholungszeit. Mehr Sichtbarkeit bedeutet mehr Ressourcen in vielfältiger Form: mehr Repräsentanz, besseres Equipment, besserer Rasen und bessere Betreuung.
Jünger, diverser, kaufkräftig
Als Kommunikationsexpertin leide ich an Sportevents an einer «Déformation professionelle»: Die Sponsoren bleiben mir jeweils besser im Gedächtnis als sportliche Ergebnisse. Mein wichtigstes Take-away sind die Informationen von Corine und Tamara zu den Sponsorings im Frauenfussball generell und an der Europameisterschaft:
- Die Fans im Frauenfussball sind jünger als im Männerfussball, ihr Altersdurchschnitt liegt bei 35 Jahren.
- Während der Männerfussball komplett durchkommerzialisiert ist, hat der Frauenfussball noch das Image einer nahbaren kulturellen Bewegung.
- Jünger, diverser und nahbarer sind für Brands durchaus interessante Aspekte.
- Die Gen Z honoriert Sponsorings in Frauensport mit höheren Kaufabsichten.
- Im Frauenfussball können noch Nischenprodukte mit kleineren Budgets beworben werden.
- Im Frauenfussball eröffnen sich neue Themen wie z.B. Ernährung, Gesundheit, Sport-Wäsche etc.
- Der Frauenfussball ist anders: Neue Gestaltungsspielräume für Brands, in denen sie gemeinsam mit den Clubs neue Formen der Zusammenarbeit entwickeln.
Je mehr Brands die Turniere und die Clubs der Frauen unterstützen, desto besser werden die Bedingungen in der Schweiz für die Spielerinnen. So können sie eher in der Schweiz bleiben, sich voll auf die fussballerische Karriere konzentrieren, sportliche Erfolge im Inland feiern, ihre Sichtbarkeit erhöhen und sich somit als Marke aufbauen, die sie wiederum attraktiver für Partnerschaften macht.
Ich wünsche mir, dass die Fussballerinnen endlich mehr Anerkennung für ihre Leistungen erhalten und unter verbesserten Bedingungen ihr vollstes Potenzial ausschöpfen können. Ich wünsche mir aber auch, dass die positive Energie auf den Strassen an der WEURO 2025 ein Vorbild für den Männerfussball sind und die Frauen nicht in einem Sumpf aus Macht und Korruption landen, wie es bei den Männern der Fall ist.
Weiterführend:
- Bernet Relations ist seit Januar 2022 Mitglied des Gislerprotokolls. Für die facettenreiche Repräsentation der Geschlechter in Kommunikation, Marketing und Werbung: Das Gislerprotokoll
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