Ich werde geklickt, also bin ich

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AnnouncementDie Blogosphäre gilt als Albtraum der Kontrolleure und Kulturkritiker. Viel wird geschrieben, viel davon ist belanglos. Was bleibt?

Journalist und Blogger David Bauer ruft in der SonntagsZeitung das Ende der Blogs als Jedermann-Medium aus.  Wer jetzt noch schreibe, habe Ausdauer oder Erfolg – die breite Masse steigt auf Facebook oder Twitter um:

«Dank des Blogs konnte erstmals jeder kinderleicht Dinge im Netz publizieren – aber können konnte eben doch nicht jeder. Wenn Bloggen so einfach ist, warum gehen dann mehr Blogs ein als Restaurants, fragte die New York Times kürzlich lakonisch. Viele mussten inzwischen feststellen: Es fehlt an Ideen, an Zeit, sich welche auszudenken, oder an der Disziplin, sie regelmässig aufzuschreiben. Blogs waren für die breite Masse das richtige Medium, solange es kein besseres gab. Eines, das bietet, was vielen reicht: Mal schnell dies und das der Welt erzählen. Die Statusmeldungen sind das neue Zuhause für all jene, die unbedingt mit der Welt kommunizieren müssen, aber eigentlich nicht viel zu erzählen haben.»

Egal ob Blog, Twitter oder Facebook: Aus meiner Sicht sind sie alle ein Tummelplatz für mitteilungslustige Leute. Entsprechend gross ist die Zahl belangloser Beiträge. Die wenigen Beiträge, die mich tatsächlich vom Hocker reissen, beziehen sich interessanterweise auf Zeitungsartikel. Und der Rest? Im besten Fall Blabla. Nützt es nichts, schadet es nichts.

Bloggen als kultureller Selbstverständigungsprozesses
Letzte Woche bin ich in diesem Zusammenhang über den Artikel «Alles sagen, allen Leuten» in der Welt am Sonntag gestolpert. Darin stellt Alan Posener das Buch «Say Everything: How Blogging Began, What It’s Becoming, and Why It Matters» von Scott Rosenberg vor, Blogger und Mitbegründer des Internetmagazins salon.com. Zum ersten Mal leben wir in einer Welt, in der jeder alles sagen kann, schreibt Rosenberg. Was bedeutet das? Für Rosenberg besteht der Grundfehler bei der Betrachtung Neuer Medien in der Annahme, sie würden den Menschen etwas antun. Ein weiterer Fehler, so Rosenberg, liegt in der Vorstellung ein Blog sei ein Einwegmedium, wie die Zeitung, das Radio, das Fernsehen. Bloggen müsse man sich eher wie Telefonieren vorstellen. Wer keine Online-Kommentare zulasse, verschliesse sich der Diskussion. Das sei wie ein Telefonat, bei dem der Partner nur angeschrien wird: Irgendwann wird er auflegen.

Zu den interessantesten Bemerkungen Rosenbergs gehört der Hinweis auf die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Schreiben. Jeder Journalist kenne das Phänomen, dass er erst beim Schreiben erkennt, was er sagen will – das weiss auch Posener: «Millionen Blogger bedeuten deshalb Millionen Menschen, die sich immerhin die Zeit nehmen, darüber klar zu werden, was sie eigentlich denken. Der Gewinn für den mentalen Aggregatszustand des Planeten dürfte immens sein.» Ich hoffe, ich konnte heute meinen Beitrag dazu leisten …

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