Was sind die Implikationen und Grenzen des Gratis-Trends? Welches sind die Bedingungen der «Freeconomy»? Die 6th European Consumer Trend Conference versuchte eine Antwort.
Für jüngere Generationen wurde alles billiger: Reisen, Kommunikation, Mode, Essen – alles zum Schnäppchenpreis. Für die noch jüngeren, die Digital Natives, wird nun der Nulltarif normal. Preise werden fliessend, die dynamische Preisgestaltung löst die statische ab. Was sind die Implikationen und Grenzen des Gratis-Trends? Welches sind die Bedingungen der Freeconomy? Die Gratis-Mentalität der virtuellen Märkte beeinflusst unser Verhalten dramatisch. Denn «free» ist mehr als nur ein neues Geschäftsmodell, «free» ist ein neuer Denk- und Lebensstil – so das Fazit der 6th European Consumer Trend Conference vom 17. März am GDI Gottlieb Duttweiler Institute.
Am besten gefallen haben mir an der ganztägigen Konferenz die Beiträge von David Bosshart und Peter Wippermann, neben der überraschend professionellen Moderation durch Kurt Aeschbacher – hier zeigt sich, dass der Moderator im seinem früheren Leben Ökonomie studiert hat.
Alles ist Echtzeit
Gemäss David Bosshart, CEO des GDI Gottlieb Duttweiler Institute, hat die digitale Welt unser Preisbewusstsein nachhaltig verändert. Heute treibt die virtuelle Welt die reale Welt und beeinflusst die gewohnten Strukturen. Das verändert die Art und Weise, Wissen, Projekte und die Zukunft zu organisieren sowie Beziehungen zu beginnen und zu beenden. Einstiegsbarrieren für Kooperationen sinken, es ist leichter geworden, global zusammenzuarbeiten. Die Massen-Selbstkommunikation verdrängt die Massenkommunikation von Radio, TV, Print. Unser Umgang mit Informationen ändert sich, wir gehen spielerisch damit um, weil sie gratis sind. Das macht es einfach, Informationen zu teilen, weiterzugeben. Jugendliche haben sich heute bereits daran gewöhnt, dass alles gratis ist, das ist für sie selbstverständlich. Selbstverständlich ist auch, dass Informationen sofort erhältlich sind, ohne Zeitverzögerung – denn jeder ist vernetzt, 24 Stunden am Tag. Wer Informationen hortet, verliert Macht, wer Informationen teilt, gewinnt Macht. Erstaunlich nur, dass David Bosshart den Eintritt zur Konferenz nicht gratis gemacht hat … Dafür gibt es das Freeconomy-Manifest kostenlos als PDF.
Rebellion war gestern, Networking ist heute
Peter Wippermann, Gründer und CEO des Trendbüros in Hamburg, geht detailliert auf die kulturellen Unterschiede zwischen den Digital Natives und Digital Immegrants ein. Freiheit wird laut Wippermann heute anders diskutiert. Früher war Freiheit die Möglichkeit, in andere Länder zu reisen. Heute steht Freiheit für den Zugang zu interaktiven Medien.
Ich bin meine Daten
Die Bereitschaft, jederzeit «on» zu sein, verändert auch die Arbeitsmodelle. Arbeitszeit und Freizeit werden nicht mehr getrennt, Digital Natives integrieren beides. Die neue Währung heisst Anerkennung. Während die Baby Boomer am Auto bastelten und die Generation X am PC bastelte, pflegt die heutige Generation ihr soziales Netzwerk und bastelt an der Online-Reputation. Facebook markiert den Starpunkt der Erkenntnis: Ich bin meine Daten. Meine Daten sind mein Kapital, ich entscheide, welche ich weitergebe. Digitial Natives vermarkten ihre Privatsphäre. Digital Immigrants hingegen verteidigen ihre Privatsphäre und fremden dadurch – ähnlich wie Immigranten in einem fremden Land.
90 Prozent «millennial» – ohne Tattoo
Wollen Sie selber testen, wie alt Sie in Bits und Bytes sind? Das Quiz How millennial are you? gibt Ihnen nach 14 Fragen die Antwort. Was für eine Erleichterung: Ich habe 90 von 100 Punkten erreicht und bin «millennial» – auch ohne Tattoo und Piercing.
Was bedeutet diese Entwicklung für die PR von Unternehmen? Drei Schlussfolgerungen aus der Konferenz:
- Geduld ist heute kaum mehr strapazierbar. Es reicht nicht innert 48 Stunden auf Anfragen zu antworten, Unternehmen müssen heute gleich Antworten liefern. Heute wartet keiner mehr auf Briefe oder Faxe. Die Antwort wird sofort verlangt, entsprechend wird geplant. Wer nicht gleich reagiert, ist selber schuld – oder tot.
- Künftig steht der Mensch im Mittelpunkt, nicht die anonyme Verbrauchermasse. Die Kunden verlangen mehr Transparenz, mehr Ethik. Neue Generationen von Unternehmen sind in Sachen Nachhaltigkeit bewusster. Sie sind mit Facebook aufgewachsen und wissen: Nichts lässt sich verheimlichen.
- Die Hierarchien ändern sich. Wusste früher der Anbieter mehr als der Kunde, so sind heute die Beziehungen symmetrisch. Unternehmen müssen sich im Bazar behaupten, den das Internet darstellt. Entscheidend ist es, die Sprache des Zielpublikums zu treffen.
Mehr zum Thema im bernetblog:
Kommunikation und Sprache im Web 2.0, 11.11.2009