Christoph Müller im Tagi heute: Entschleunigter Content

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Scheinwerfer auf WandDer TV-Journalist und Dokumentarfilmer Christoph Müller hat am Fraunhofer-Institut einen Vortrag gehalten, den er heute im Tages Anzeiger publiziert. Er beschreibt sehr klar, wie Medien heute funktionieren und dass wir dringend eine Entschleunigung brauchen.

«Die Leitungen sind bestellt, also berichten wir» (PDF-Download) bringt als Headline auf den Punkt, wie Medien heute funktionieren. Wahrscheinlich war es schon immer so: Wer etwas Neues mitteilte, dem wurde zugehört. Bloss hat sich die Technik der Multiplikation und Distribution dieser Inhalte ganz gewaltig verändert. Die Kanäle sind gebaut, sie werden immer vielzähliger, sie werden immer schneller, sie sind zu füllen.

Also berichtet man aus Schützengräben, von Bombardements oder anderen wirklichen und inszenierten Events, weil die Kameras dort sind. Weil die Stationen Material wollen. Christoph Müller, Redaktionsleiter «Reporter» beim Schweizer Fernsehen, postuliert drei Anforderungen: Journalisten müssen 1. Genauer werden, 2. Sich mehr Zeit nehmen, 3. Besser erzählen.

Aus meiner Sicht geht das nur dann, wenn sich Medien vom Zwang des Berichtens, des Dabeiseins entbinden. Dazu muss man sehr eigenständig sein. Eine Geschichte nicht zu bringen, weil sie aufgrund selbst gesetzter Standards nicht reif ist – das braucht Mut und finanzielle Stärke. Schon im Konkurrenz-Wettkampf OHNE Sonntagszeitungen, Gratiszeitungen, 100 TV-Kanäle, Online-Zeitungen, Web 1.0 bis 2.0.

Wer hat den Mut zu Qualität? Ist sie von Lesenden wie Werbenden überhaupt gefragt? Sind die unabhängigen Lead-Medien die Orientierungsanker der Zukunft? Oder will das Publikum viel lieber dauerberieselt werden von möglichst vielem, möglichst schnell, möglichst breitenwirksam?

Wohl beides. Zum Schluss ein kurzer Blick ganz in die Anfänge der medialen Beschleunigung: Am 25. September 1690 erschien in Boston die erste US-amerikanische Zeitung. Die «Pubblick Occurrences Both Forreign and Domestick» versprach einmal im Monat News. Der Herausgeber Benjamin Harris schrieb, sie könnte auch mal öfter erscheinen «…wenn sich eine Flut von Ereignissen ergeben würde.»

Das waren noch Zeiten. Bechrieben von Daniel J. Boorstin in «The Image – a Guide to Pseudo-Events in America», erste Auflage 1961.

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