Politik im Netz: BlocherTV – holzschnittartige Selbstfeier

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blochersmiley.jpgEs ist Wahlkampf. Und die damit verbundene Inhaltsexplosion füllt auch Online-Kanäle. Ganz neu dabei ist ein Bundesrat mit einer eigenen Fernsehsendung. Einmal pro Woche beglückt uns BlocherTV, unter Mithilfe von Matthias Ackeret und Norbert Neininger. Wieso gibts nur eine einzige Kameraeinstellung? Wieso ist überhaupt ein Fragesteller dabei, wenn der die Selbstdarstellung des Helden einfach abnimmt? Glaubt Blocher selbst, was er sagt?

Ich sehe sehr selten fern – deshalb verfolge ich Christoph Blocher kaum am Bildschirm. Und jetzt habe ich gerade eine kleine Überdosis hinter mir. Das aktuelle Interview-Video (auf teleblocher.ch abgerufen) dauert nämlich knapp 15 Minuten, und dazu habe ich mir das etwas längere «The Making Of» angeschaut. Dahinter versteckt sich ein erstes Interview am Rheinfall, das unserem bedrohten Magistraten Gelegenheit verschafft, sich zwischen C. G. Jung und dem süssen Gift der Sozialdemokraten zu positionieren.

Keine Dramaturgie, kein Interview

blocher tvSo sieht es bei Christoph Blocher zu Hause in Herrliberg aus. Der Screenshot aus dem Video könnte auch gleich als Standbild für die Tonspur dienen: Die zwei Herren stehen etwas verloren vor Cheminée und Hintergrund. Fünfzehn Minuten lang, mit zwei bis drei langsamen Zooms. Die bundesrätlichen Hände bewegen sich mangels Rednerpult sehr frei, wobei sich mit der Zeit ein paar Standardgesten ablesen lassen.

Matthias Ackeret hat Christoph Blocher für sein Buch schon aus der Nähe kennengelernt, und er scheint von ihm fasziniert zu sein. Denn aus meiner Sicht verliert er mit diesem Auftritt seine Unabhängigkeit als Journalist (wenn ihm die wichtig ist). Die wenigen Fragen sind so gestellt, dass sie zu den für Blocher spannenden Themen führen. Ackeret fragt zum Beispiel bei der Rolle von Couchepin zweimal nach, ob er denn auch dabei gewesen sei bei diesem «Komplott». Aber trotzdem lässt er Blocher schliesslich entwischen, weitere Passagen aus dem Inhalt auch im KleinReport.

Als Zuschauer muss man sich richtig durch diese ersten zwei Sendungen durchkämpfen, Inhaltsangaben oder Kapitel-Aufteilungen fehlen. Ausser, man ist ein erklärter Fan von Blocher – oder muss als Parteistratege dabei sein.

Wenig Aufwand, sehr viel Echo
Für die erklärten Fans ist das Format denn wohl auch gedacht. Und in dieser Hinsicht ist Blocher einfach genial: Er macht keinen vorbildlichen Podcast. Nein, ein richtig holzschnittartiges Produkt, mit vielen formalen Schwächen. Passgenau zugeschnitten auf seine Art. Er findet den direkten Weg zu seinen Anhängern, er kann ungestört und lange über alle Arten von Verschwörungen spekulieren und die mediale Aufmerksamkeit ist ihm sicher.

Der erste Schweizer Bundesrat mit Online-Video ist ja selbst nie Online, hat keinen Computer. Aber er weiss, zitiert aus «The Making Of»: «…das wasmer jetz mached, das chammer numme im Internet – das chan de Staat gar nöd verbüte. Aber villich macht ers denn au no (lacht).»

Das Bakom überprüft die Legalität der TV-Ausstrahlung, wie vom Schweizer Fernsehen berichtet. Gemäss 20Minuten von heute sei entscheidend, ob dafür bezahlt werde. Blocher selbst sagt, dass er auf die Anfrage des Schaffhauser Verlegers Norbert Neininger spontan ja gesagt hätte zur Idee. Verbreitet wird der Inhalt auf teleblocher.ch, blocherprinzip.ch, Tele Tell, Tele M1, dem Schaffhauser Fernsehen und Tele Südostschweiz.

Wer kennt Blocher?

Der Vater des Blocher-Prinzips ist überzeugt, dass die Angriffe auf seine Person bis zur Wahl weitergehen werden: «…die wörded au neui Sache versueche, ich weiss halt nonig wa.» Und ich erhalte den Eindruck, dass die Holenweger-Flipcharts wohl das beste waren, was der SVP je passieren konnte. Wieso hat die GPK diese Info eigentlich so spät erhalten und Mörgeli die Originale dann so schnell? Denn ohne diese Originale, so Blocher in seiner TV-Sendung, wäre er handlungsunfähig gewesen und aus dem Bundesrat gekippt.

Aber halt, ich will den Reigen der Spekulationen nicht weiter spinnen. 30 Minuten Blocher-TV haben mir einen Mann gezeigt, der absolut gefangen scheint in einem seltsamen Weltbild. Bedroht von allen Seiten. Und er scheint das auch wirklich genau so zu glauben, wie er es schildert. Er sei ja selbst auch schon hart gewesen in Wahlkämpfen, aber so hart wie es heute gegen ihn zugehe, das sei ein neuer Stil, noch nie dagewesen.

Und doch frage ich mich: Glaubt Blocher selbst, was er sagt? Kann man mit dieser engen Sicht eine Partei, einen Wahlkampf, ein Departement, ein Unternehmen führen? Mit so viel Erfolg? Oder ist das alles Show, weil er ganz genau weiss, was ihn ans Ziel bringt?

Frühere Beiträge zu Politik-Podcasts:
Angela Merkel am 29.6.2006, Arnold Schwarzenegger im Juli 2005 im Anstoss-Newsletter, CH-Politiker auf YouTube am 29.8.2007

Nachtrag:
Treffender Kommentar von Peter Hunziker in der Schaffhauser AZ vom 20.9.07

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Beiträge

  • Messieurs vous vivez en Suisse… et dans ma suisse ont parle aussi le français non ? donc j’espère que vous ferez votre site d‘ info aussi dans ma langue dans l‘ avenir,ok cela me démontreras votre ouverture envers les habitants de la suisse romande: nous on existent on et pas bête… on a apprit a lire a réfléchir, on aime tout les suisses de divers origines,ici dans mon canton de Vaud ont travail dure pour que la suisse deviennent un beau pays avec des idées nouvelles, avec la possibilité d‘ aider beaucoup de personnes venant d‘ ailleurs pour qu’ils puissent venir vivre chez nous et travaillé et participé a la grandeur de notre nation, qu‘ ils puissent plus tard faire eux aussi de la politique et formé les générations avenir ,vive une suisse qui avance, et qui s‘ ouvre envers les autres. A bientot chères citoyens

  • kleiner nachtrag hierzu mit lesenswertem anhang: peter hunziker, redaktor bei der schaffhauser az und seit jahren ein guter freund von mir, hat in einem az-kommentar den neininger, äxgüsi, den nagel auf den kopf getroffen. ich habe den kommentar als nachtrag an den beitrag angehängt…

  • Wahr ist, dass ein US-Präsident wegen eines blowjobs fast seinen Job verloren hat.
    Unwahr ist, dass ein schweizerischer Justizminister, der geltendes Recht mehrfach mit Füssen getreten oder bis „zum geht nicht mehr“ ausgereizt hat, von uns dorthin geschickt wird, wo er hingehört: In die Wüste.

  • Interessant finde ich, welchen Stellenwert das Internet mittlerweile in der Politik hat. Immer mehr versucht man die Menschen hier zu erreichen. Beim amerikanischen Wahlkampf ist das Internet schon ein entscheidendes Medium. Vielleicht haben wir Blogger hier ja auch mal einen solchen Einfluss auf die Öffentlichkeit. Würde sicherlich nicht schaden.

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