Journalismus 2.0: Geo-Porträt der NY Times

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PressefotografWohin geht der Journalismus? Die Frage stellen viele, Antworten gibt es zuhauf. Einen schönen Hintergrund zum Thema liefert das aktuelle Geo-Magazin – den Link habe ich via Medienlese gefunden. Zwanzig Millionen klicken täglich auf die Online-Ausgabe der New York Times, und die Printausgabe leidet an Leserschwund. Wird das Zeitungssterben zur Gefahr für die Demokratie?

Hier der Link zur ganzen Geschichte, lesen lohnt sich. Der Artikel porträtiert auf lebendige Weise die tägliche Realität von Times-Chefredaktor Bill Keller und die laufende Zusammenarbeit von Print und Online. Der digitale Beschleunigungsvirus hat den über 100jährigen Traditionsverlag schon lange infiziert: Im zentralen Schaltraum «Seite eins» wird koordiniert, was wann auf den Bildschirm und wann in der Zeitung landet. Früher konnte die Times eine Geschichte auch mal einen Tag später bringen. Heute passt sich Jim Roberts, Online-Chefredaktor, dem endlosen Zyklus der Nachrichten an. Er braucht schnelle erste Fassungen von Berichten, die in den folgenden Stunden weiterentwickelt werden.

Meinung ist billig
1300 Journalisten führt Bill Keller. Ihr Output gehört jedem, sobald er im Netz steht. Gratis. Von Google bis Weblogs, die mit kopierten News ihr eigenes Geschäftsmodell finanzieren. «Meinung ist billig. Guter Journalismus ist teuer,» wird VR-Präsident Arthur Sulzberger jr. zitiert. Aber das Online-Geschäft bringt bisher nur elf Prozent des Gesamtumsatzes. Geo-Autor Norbert Neumann stellt die Frage, wann das Zeitungssterben zur Gefahr für die Demokratie wird. Wenn es nur noch Meinungen gebe und niemanden, der die Mächtigen mit journalistischer Qualität hinterfrage.

Interessante Frage. Ist sie richtig gestellt? Immer wieder wird die journalistische Qualität, die Rolle der Medien als «vierte Macht» im Staat in den Vordergrund gestellt. Klar – als etabliertes Medienhaus würde ich genau so argumentieren.  Können nur Monopole diese Unabhängigkeit sicher stellen?

Qualität wird neu definiert
Die Situation für den Journalismus, für die Verlage ist unangenehm. Die bisherigen Geschäftsmodelle werden grundlegend über den Haufen geworfen. Mir selbst graut vor einer Zeit, in der es nur noch persönliche Meinungen von Bloggern geben würde – das wäre das Szenario, wenn man die aktuellen Argumente zu Ende denkt.  Aber dieses Szenario wird sich genauso wenig einstellen wie alle anderen Szenarien.

Aus meiner Sicht wird es weiterhin einen Markt geben für Qualität. Aber Qualität wird immer unterschiedlicher definiert, von immer kleineren Lesersegmenten. Es wird weiterhin Blick-, 20min- und NZZ-Leserinnen geben. Mit unterschiedlicher Bezahlbereitschaft. Die Produkte werden in zehn Jahren andere (Sub-)Markennamen tragen und sie werden immer weniger in Print verteilt werden. Und die persönliche Orientierung in der Flut der Meldungen und Meinungen wird anspruchsvoller werden.

Sind wir damit am Ende der Demokratie? Wohl eher an einer anderen Wegmarke, einer neuen Art und Weise der Meinungsbildung. Worauf sich Medien, Politiker, Kommunikatoren Lernschritt für Lernschritt einstellen müssen.

Die NY Times ist schon ziemlich weit auf diesem Weg. Übrigens: Ich empfehle allen Onlinern ein News-Abo per E-Mail – die Abomöglichkeiten und die Auslieferung sind vorbildlich. Man muss einfach Member werden.

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Originalbeitrag Medienlese vom 2. September.

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