Mehr Emotionen zwischen Wirtschaft und Gesellschaft

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Peter Gomez am HarbourClub Symposium vom 18.11.2008, Foto Dieter SeegerHeute morgen hat Peter Gomez das Symposium des HarbourClub eröffnet. Der HSG-Professor, VR-Präsident der Schweizer Börse und Präsident verschiedener Gremien äusserte sich zum Dialog zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Sein Kopf-Herz-Hand-Bezug zu Pestalozzi war gespickt mit praktischen Ansätzen für den Umgang mit Krisen.

Thema und Ort der heutigen Veranstaltung waren schon vor einem Jahr gewählt worden. Damals hatte auch der HarbourClub als Vereinigung von Schweizer Kommunikationsleitern nicht mit der heutigen Aktualität gerechnet: «Die Kraft der Emotionen» passt perfekt zu den fallenden Kursen auf dem Ticker hier im Konferenzzentrum der Schweizer Börse SIX. Grad lief die UBS-Aktie für etwas mehr als 13 Franken über den Schirm, tiefrot.

Wenn alle überfordert sind, solls der Staat richten
Die Finanzkrise lässt die Emotionen zwischen Wirtschaft und Gesellschaft hochgehen. Peter Gomez (HSG Dozentenporträt) sieht die wahren Ursachen für die aktuelle Distanz im Machbarkeitswahn der Wirtschaft, der Risikoignoranz der Gesellschaft und der Systemgläubigkeit der Politik. Mit Risikoignoranz der Gesellschaft meint er die Tatsache, dass es eben nichts gratis gebe – und dass genau diese Umsonst-Erwartung vorherrsche. Wobei ich es so sehe, dass die Wirtschaft Kapital und damit Risiko auch beinahe gratis erhalten hat und als Konsequenz Risiken ignoriert hat. Und jetzt denken wir alle, so Gomez, der Staat soll es richten. «Eine naive Sicht der Dinge, die irgendwann zu Staatsversagen führen wird.» Darüber hinaus ist der ehemalige Rektor der HSG überzeugt, dass gerade jetzt wieder viel zu viel billiges Kapital in die Märkte geschleust wird. Und dass das in fünf Jahren zur nächsten Blase führen wird.

Schnellkäufe, Sattelschüsse, Eigennutz
Generell ortet Gomez eine Überforderung aller Beteiligten. Durch zu viele Optionen, schnellen Wandel, steigende Komplexität. «Man konsumiert zwar wie wahnsinnig, aber man weiss nicht mehr so richtig, wo man steht. » Auch die Wirtschaft muss immer komplexere Entscheidungen in immer kürzerer Zeit fällen. Das führt zu folgenschweren Schnellschüssen – «Sattelschüsse» nennt er sie.

Die Politik schliesslich verzettelt sich, es fehlt ein langfristiger Fokus, die Verantwotung für das Ganze sieht niemand. Der Eigennutz jedes Politikstars, jeder Partei steht im Vordergrund. «Und gerade heute, wo der Finanzplatz Schweiz von aussen bedroht ist – von den Sarkozys und Steinbrücks dieser Welt – wäre  ein gemeinsames Ziehen am selben Strick zentral.»

Drei Schritte für Konfliktsituationen
Anstatt die Finanzkrise weiter zu analysieren stellt Gomez die Frage: Was braucht es in Konfliktsituationen? Die übliche Reaktionskette läuft über die Stationen Betroffenheit, Zorn, Verunsicherung, Bestrafung der Schuldigen. Diese Kette will der erfahrene Unternehmer und Dozent durchbrechen – basierend auf Johann Heinrich Pestalozzis Idee der Verbindung von Kopf, Herz und Hand. Gomez leitet daraus drei praktische Schritte ab: Erstens den Konflikt benennen. Zweitens den Dialog suchen, ohne bereits vorgefertigte Argumente und Lösungen in petto zu haben. Und drittens über die Kommunikation hinaus den Beteiligten echte Erfahrungen vermitteln. Durch konkrete Taten, erlebte Veränderungsschritte.

Was heisst das in der aktuellen Situation für die Wirtschaft?  Vernetzte Initiativen sieht Gomez unter anderem in der glaubwürdigen und vorbehaltslosen Teilahme von Schlüsselpersonen im öffentlichen Dialog: «Im Moment sind alle abgetaucht – es gibt keine ernst zu nehmende Stimme der Wirtschaft.» In der Gesellschaft sieht er eine Förderung des Wirtschaftsverständnisses und den Einbezug in einen breiter geführten Risikodialog. Und für die Politik eine Förderung des parteienübergreifenden Dialogs.

Fazit: Wo bleibt der Gemeinsinn?
Recht hat er. Das Fördern des Gemeinsamen wird immer schwieriger, anspruchsvoller. In einer Welt der Ich-Inszenierung sehen weder Konsumenten noch Manager noch Politiker den Nutzen im Gemeinwohl. Noch schwieriger wird der Weg zum Gemeinsamen, wenn sich gerade alle irgendwie zu retten versuchen. Die Konsumenten flüchten mit ihren Kapitalien von Bank zu Matratze, die Manager von Abschreibung zu Staatshilfe, die Politiker tanzen ihre Selbstinszenierung mal hüst, mal hott rund um wirtschaftliche Schockmeldungen, deren Ausmass noch niemand genau erfasst. «Hallo, alle mal herhören, wir flicken das jetzt gemeinsam!» Diese Stimme geht unter, so recht sie hat.

Der Link zum Originalreferat-Handout folgt hier, sobald er bei HarbourClub online ist. [Nachtrag: So was gibts dann entgegen Infos des Veranstalters doch nicht. Typisch und sehr schade für den HarbourClub, finde ich.] Für Blogger sind diese Veranstalter einfach zu langsam (-: . Herzlichen Dank an den Anlass-Fotografen Dieter Seeger, der mich gleich hier mit seinen Fotos versorgt hat, super.

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Beiträge

  • Erinnern Sie sich an das Märchen, ich glaube es war von Christian Anderson: „Des Kaisers neue Kleider“, hiess es wohl? Wo das kleine Mädchen die Wahrheit sagte: „…aber er ist doch nackt?!!…“
    Und der Kaiser könnte im Märchen doch wirklich nicht zu dem kleinen Mädchen sagen: „Gut, haben wir darüber gesprochen!“, statt: „Halt die Schnauze, Mädel, das geht Dich überhaupt nix an!“, wie’s im Moment getan wird.
    Wer sind sie denn, die solche ***eis** verbreiten? Wer sind sie denn, die momentan hunderttausende Arbeitsplätze verschwinden lassen? Wer sind sie denn, die sich an sogenannten Wirtschafts-Foren, wirtschaftstreuen Medien feiern lassen, als CEO’s als Experten der Wirtschaft? Also, der Herr Experte (der HSG!) will die Kette durchbrechen? Gemäss Pestalozzi? Aber Hallo??? Pestalozzi war Volksschullehrer!!! Hat die Finanzwirtschaft den Schritt von der Volksschule tatsächlich noch nicht geschafft? Er will die Schuldigen tatsächlich nicht bestrafen?
    Na ja! Auch eine Möglichkeit! Samt-Handschuhe…
    Ich versteh die Welt nicht mehr…