Swiss Media Forum: Wer bezahlt für welche News?

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Zum zweiten Mal trifft sich die Medienwelt am Swiss Media Forum in Luzern. Zum Auftakt stand der (Online-) Journalismus im Fokus. Ausländische Vorbilder zeigen, dass man damit Geld verdienen kann – und die NZZ wagt einen mutigen Schritt. 

Ein journalistisches Schwerstgewicht eröffnete das prominent besuchte Forum: Jill Abramson, seit Ende 2011 Chefredaktorin der berühmtesten Zeitung der Welt – die New York Times. Von der zierlichen, 58-jährigen Frau sagte ihr Berufskollege Al Hunt von Bloomberg (Quelle bei Politico.com): «She’s got more balls than the New York Yankees.» Die Ausstrahlung der Vollblutsjournalistin war ein erstes inspirierendes Higlight. Und ihre Aussagen prägten den Nachmittag: Vor allem ihr unverkrampftes Verhältnis zum Online-Kanal und das radikale Bekenntnis zur Qualität. «Es gibt nichts besseres als unseren Online-Journalismus. Darum funktioniert unser Bezahlmodell – dazu gibt es keine Gratis-Alternative.» Durch die NYT-«Paywall» werden Benutzer zur Kasse gebeten, die mehr als 10 Artikel monatlich ansehen, bis vor kurzem waren es noch 20. Die NYT kann sich diesen Mut offenbar leisten. Dass der Online-Kanal der Qualität schadet, sieht Abramson nicht. «Wir publizieren die Stories, wenn sie bereits sind und auf der Plattform, die am besten passt.» Die Gefahren sieht sie mehr beim Kostendruck und beim Ausdünnen von Korrespondenten-Netzen (s. auch das sehr gute Interview im Tagi). Multimedia sei eben auch eine Chance, Inhalte zu vertiefen und andere Aspekte darzustellen.

Peter Hogenkamp zur NZZ-Paywall:
«Keine Ahnung ob das funktioniert, aber wir müssen es versuchen.»

Das Nachmittagsprogramm wurde geschlossen vom Podiumsgespräch mit Peter Hogenkamp, Leiter Digitale Medien NZZ, Geschäftsführerin Spiegel Online Katharina Borchert, Madeleine von Holzen von Edipresse und Peter Wälty, Chefredaktor Newsnetz/tages-anzeiger.ch. Frisch und selbstsicher konnte Spiegel-Online Chefin Borchert auf eine 8-jährige Rentabilität verweisen. Eine Paywall sei bei Spiegel nicht vorstellbar – die Bezahlversion sei die Printausgabe, Geld werde vor allem mit der Werbung auf der Home-Seite verdient, die meisten User kämen noch immer via Direktzugriff und nicht via Suchmaschine. Erstaunlich. Kurz vor dem Experiment mit einem Bezahlmodell steht bekanntlich «unsere» Neue Zürcher Zeitung. Sie macht damit einen mutigen aber wohl wichtigen Schritt und positioniert sich tatsächlich als eine Art «Innovationsleaderin». Warum sollen Leser/innen, die selektiv News, Hintergründe und Bewertungen von höchster Qualität verlangen, nicht dafür bezahlen wollen? Die New York Times hat bewiesen, dass dies bei einem starken Brand funktioniert – und der hat auch die NZZ. Beim Tagi seien laut Peter Wälty diese Diskussionen durchaus da, spruchreif aber natürlich noch nichts.

Wünsche für die Zukunft: LeserINNEN, Monetarisierung, Social Media
Für die kommenden Monate wünscht sich Borchert vor allem mehr weibliche Leser («wir sind noch ein bisschen vermackert»), die Entwicklung neuer Werbeformen und eine weitere Entwicklung beim Einsatz der Social Media Kanäle. Wälty und von Holzen sehen den Print noch weiter in die Online-Nähe, die Weiterentwicklung von mobilen Anwendungen und hoffen auf eine noch stärkere Monetarisierung der Online-Inhalte. Wir alle erwarten mit Spannung, wie sich das Paywall-Konzept der NZZ – quasi die KonvergeNZZ – weiterentwickelt. Etwas überraschend ist das schlechte Image des Online-Journalismus bei den Schreibenden – darin sieht Katharina Borchert aber gerade auch Chancen für gute junge und weibliche Journalisten, die es in den Print-Redaktionen teilweise noch schwer haben.

Und die PR? Dass der Anlass nicht Swiss PR Forum heisst, wurde deutlich – trotz der zahlreich anwesenden PR-Schaffenden. Welche Konsequenzen haben diese Entwicklungen für den Corporate Newsroom? Hier sei nochmals auf Jill Abramson verwiesen: Gute Inhalte müssen und können eben auch von Multimedia und Multichannel profitieren. Wie  im PR-Alltag umsetzen? Hier steht unsere PR-Branche womöglich in einer mindestens so steilen Lernkurve wie die Medien. Mehr dazu laufend auf diesem Kanal.

Randbemerkung: Obwohl ich Twitter gerade in Konferenzen überaus schätze – offene Twitterwalls (#smf12) auf der Bühnenleinwand sind unnötig. Sie lenken ab und können die Teilnehmer und Referenten desavouieren.  Spannender wäre die parallele Beobachtung der Social Media Kanäle durch einen Co-Moderator und das konsequente Einflechten von Fragen und Kommentare in die Moderation.

Weiterführende Links: 
Zusammenfassung des Nachmittags bei der Aargauer Zeitung
Interview mit Jill Abramson beim Tages-Anzeiger
Interview mit Jill Abramson bei persoenlich.com
Die Twitterwall zum Swiss Media Forum
bernetblog-Artikel zum Thema «Online-Medien»

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