Journalisten im Web: Simone Meier, Kulturredaktorin watson

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Das Online-Newsportal watson funktioniert nur im Zusammenspiel mit den Sozialen Medien. Welche Inhalte «gehen ab»? Welche Themen generieren viele Likes und Retweets? Simone Meier ist seit Anfang März 2014 für das Ressort Kultur verantwortlich. Sie erzählt, wie sich der Journalismus durch die Sozialen Medien verändert hat und warum sie gedruckte Zeitungen nicht mag. 

Die bernetblog-Serie «Journalisten im Web» portraitiert Redaktorinnen und Redaktoren und ihren Alltag im Social Web im Rahmen einer qualitativen Studie von Bernet_PR und der ZHAW. Der Hashtag zur Studie: #jstudie14.

Seit 18 Jahren ist Simone Meier Journalistin. Sie hat einen Roman veröffentlicht: «Mein Lieb, mein Lieb, mein Leben». 1998 bis 2013 arbeitete sie als Kulturredaktorin beim Tages-Anzeiger, eine Tätigkeit, die sie 2004 und 2005 für eine tägliche Kolumne mit dem Titel «Journal» unterbrach. Die Kolumnensammlung erschien Ende 2005 unter dem Titel  «Meier’s Best». Seit März ist sie Kulturredaktorin bei watson. Sie selber liest nicht gerne Zeitungen: «Das Gedruckte an sich hat für mich etwas Unattraktives. Ein Inhalt vermittelt sich für mich viel besser mit Hilfe von Bildern. Also online oder in schön gemachten Magazinen.»

Ratschläge statt Regeln
Die Sozialen Medien nutzt Simone Meier nicht erst seit sie bei watson ist: Mit Tweets zu den Glastür-Unfällen im neuen Tamedia-Gebäude hat sie viel Kritik von der Chefredaktion geerntet. Entsprechend fuhr sie ihre Aktivitäten auf Social Media zurück. Bei watson sei der Umgang mit Sozialen Medien entspannter: «Es gibt keine Regeln, nur gute Ratschläge», sagt Simone Meier. Am Anfang sei sie erstaunt gewesen, dass ihre Mitarbeitenden nicht auf Mails antworteten, auf den sozialen Kanälen aber binnen Minuten reagierten. Neben ihren Artikeln, die sie über Twitter und Facebook verbreitet, haben die Sozialen Medien auch eine Monitoring-Funktion: Was posten andere Medien? Welche Posts von Stars kann sie retweeten, sharen oder für ihre Geschichten verwenden?

Eigenes Wissen vs. Internetrecherche
Die Sozialen Medien spielen für Simone Meier bei der Recherche eine Rolle: «Zum Beispiel die Facebook-Seite der Vanity Fair liefert mir zusätzliche Informationen, die mit dem Printprodukt nichts zu tun haben.» Früher sei Facebook für sie rein privat gewesen. Mittlerweilen ist es zum Arbeitstool geworden: Simone Meier hat sich auf Facebook eine Community aus Künstlern, Kulturschaffenden und Kulturinteressierten aufgebaut. Diese möchte sie für Geschichten und für ihre Recherche nutzen. «Auf Twitter bin ich eher chaotisch. Ich habe mir zwar Follower-Listen zu verschiedenen Themen zusammengestellt, genutzt habe ich sie bis jetzt selten», sagt Simone Meier. Häufig höre sie von einem Ereignis und recherchiere anschliessend im Internet. Oder sie kontaktiert Personen für Auskünfte über die Sozialen Medien und startet Aufrufe für eine Recherche. Als Simone Meier vor 18 Jahren in den Journalismus einstieg, habe sie sich zu hundert Prozent auf das eigene Wissen verlassen. Da sei die Fehlerquote viel höher gewesen. Mit dem Internet und der Verbreitung der Sozialen Medien seien diese weniger geworden.

Der Kommentar ist der neue Leserbrief
watson ist ein reines Online-Newsportal, positive wie negative Kritik finden im Netz statt. Früher habe sie auf viele Artikel Leserbriefe erhalten, auf die sie persönlich antwortete. Später wurden diese von E-Mails abgelöst. Bei watson kommt Kritik vor allem über Facebook und Twitter: «Ich bin jeweils wahnsinnig gespannt auf die Reaktionen.» Kritik begegne sie offen, sagt Simone Meier. Sie schalte in diesem Fall auf den Messenger um und stelle sich der Diskussion. Krasse Reaktionen hätten sie bei watson relativ selten. Dies führt sie auf die Registrierungspflicht beim Kommentieren zurück. Auch Anstösse für Folgegeschichten hat es schon gegeben: Aus einer Meinungsverschiedenheit mit einem Filmemacher resultierte die Idee für eine Debatte auf watson. Die Idee fand Anklang. Ein Artikel ist geplant.

Emotionales und Schweiz-Bezug für mehr Leser
Welche Geschichten erzeugen sogenannte Hypes? Sind es Blut, Busen und Büsis? watson verfolgt mit einem eigens entwickelten Tool laufend die Performance seiner Inhalte. Simone Meier dünkt das ganze extrem willkürlich: «Manchmal werden Geschichten, von denen ich annehme, dass sie ihre Viralität hoch ist, extrem schlecht gelesen.» Grundsätzlich sind Geschichten mit Bezug zur Schweiz beliebt: «Mein Artikel über das Filmfestival Locarno wurde viel häufiger gelesen, als derjenige über das Filmfestival in Cannes.» Und Geschichten zu aktuellen Schweizer Polit-Themen kommen ebenfalls gut an. Auch «Selbstgebasteltes» wie ein Quiz funktioniere: Der Leser fühlt sich «beschenkt». Emotionales wie Todesfälle bewegten die Menschen: Simone Meiers Nachruf auf H.R. Giger lief so gut wie kein anderer ihrer Artikel. 

Steckbrief

Simone Meier, 44, Kulturredaktorin bei watson

  • Journalistin seit 1996
  • Bei watson in heutiger Funktion seit 1. März 2014
  • Nutzt Facebook seit 2011
  • Twitter seit 2012

Weitere Blogbeiträge aus unserer Studie «Journalisten im Web»:
alle Portraits der Serie «Journalisten im Web»

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