Textwerkstatt: Der Konjunktiv – Würden Sie, wenn Sie könnten?

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Mit der Möglichkeitsform tun wir uns schwer. Bereits in der Schule bevorzugen die meisten den Blick aus dem Fenster dem auf die Wandtafel, wenn vom Konjunktiv I und II die Rede ist. Doch wer ihn anwenden kann, zeugt von Bildung. Und darf guten Gewissens fantasieren.

Der Konjunktiv I steht für die indirekte Rede, der Konjunktiv II widmet sich der irrealen Welt: unseren Träumen, Wünschen, Fantasien und der Höflichkeit. Die Bildung der beiden Konstrukte ist keine Hexerei. Doch wir meiden sie wenn möglich: mit der direkten Rede, mit Ausflüchten über Hilfswörtchen wie «laut» und «gemäss», indem wir auf allzu komplexe Wenn-Sätze verzichten. Gewiss, er ist schwer- und fehleranfällig. Aber manchmal ist der Konjunktiv unumgänglich – und dann muss man ihn beherrschen. Eine kleine Wissensauffrischung.

Der Konjunktiv sei einfach.
Mit dem Konjunktiv I drücken wir aus, was andere sagen. Der Wahrheitsgehalt der Aussage wird nicht angezweifelt. Wenn ich schreibe: «Immer wieder wird gesagt, der Konjunktiv sei einfach», signalisiere ich damit, dass das nicht meine Aussage ist. Ich verwende die indirekte Rede. Die Regel zur Bildung des Konjunktiv I für schwache Verben lautet: Präsensstamm + e + Personalendung (ich lerne, du lernest, er lerne).

Ich wünschte, der Konjunktiv wäre einfach.
Der Konjunktiv II ist der sogenannte Irrealis und somit bestens geeignet für Wunschvorstellungen. «Ich wünschte, der Konjunktiv wäre einfach» drückt aus, dass er es in der Realität nicht ist. Wir sind alle Träumer und kennen diese Wortgebilde bestens: «Wenn ich Ferien hätte, würde ich…», «Ich wünschte, ich hätte eine Million». Auch wenn wir besonders freundlich sein wollen, verwenden wir den Konjunktiv II: «Wärst du so freundlich, das Fenster zu schliessen?». Vom Konjunktiv II gibt es zwei Formen: eine für die Gegenwart, eine für die Vergangenheit. Für Situationen in der Gegenwart hängen wir die Konjunktivendung an den Präteritumstamm. Starke Verben erhalten einen Umlaut. «Er fände es schön, wenn er den Konjunktiv nie verwenden müsste.» Einige Verben werden mit würde umschrieben. Das ist dann der Fall, wenn sie sich im Konjunktiv II nicht vom Indikativ-Präteritum unterscheiden. «Er hoffte, die Lehrerin würde mit der Konjunktiv-Prüfung warten.» Wollen wir eine Situation in der Vergangenheit ausdrücken, verwenden wir die Konjunktivformen von sein/haben + Partizip II: «Ich hätte besser aufgepasst, wenn ich gewusst hätte, dass der Konjunktiv so kompliziert ist.»

Der Konjunktiv ist einfach.
Ist etwas Wirklichkeit, wird der Indikativ verwendet. An der Realität gibt es nichts zu rütteln. «Der Konjunktiv ist einfach.» Versuchen Sie es und haben Sie Mut zum Konjunktiv.

Weiterführend:
Textwerkstatt: Das Adverb – Freund oder Feind?
Der Gedankenstrich – Effekthascher oder effizienter Ruhestifter?

 

 

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