Public Relations wurde dank Social Media unabhängig vom Journalismus. Das ist eine der Hauptaussagen des neuen Buches vom Reuters Institute for the Study of Journalism. Was ist daran? Und was heisst das für die Rolle der PR?
PR habe die Vorherrschaft über den Journalismus errungen, sagen die Autoren des Buches «Journalism and PR» (PDF-Download: Ausschnitt und Zusammenfassung) John Lloyd und Laura Toogood. Die Autoren beobachten eine Machtverschiebung: PR werde unabhängiger vom Journalismus, der Journalismus aber immer abhängiger von der PR. Dazu beigetragen habe vor allem Social Media. Sie ermöglichen Unternehmen die direkte Kommunikation mit ihrem Umfeld.
Zur Lancierung des Buches fand eine hochkarätig besetzte Podiums-Debatte bei der Royal Society for the encouragement of Arts, Manufactures and Commerce kurz «the RSA» statt. Der Event ist bei Youtube und als Audio in voller Länge verfügbar.
Wird Ethik zur Aufgabe der PR?
Die Debatte (im Video ab 38’46“) zeigt: PR wird tatsächlich unabhängiger vom klassischen Journalismus. Die schnellen Online-Kanäle ermöglichen es Unternehmen, selber als Medien zu agieren. Zugleich zwingt sie die Firmen zu mehr Integrität. Ungereimtheiten gelangen schneller an die Öffentlichkeit, Kunden stellen Firmen zur Rede. Vertrauen wird dadurch brüchiger, man muss es sich laufend neu verdienen. Die Vorherrschaft liege deshalb weder bei den Journalisten noch bei der PR, sagt Ed Williams, CEO von Edelman, sondern bei der Öffentlichkeit.
Diese Verschiebung bringe neue Verantwortung für die PR: Ethik und Integrität liege im Interesse von Agenturen und ihren Kunden, sagt John Lloyd in seiner Keynote (im Video bei 12’53“). PR-Leute müssen Firmen stärker denn je dazu bewegen, Worten auch Taten folgen zu lassen.
Ohne Journalismus verliert die öffentliche Kommunikation ihre Glaubwürdigkeit
Doch trotz der neuen Kommunikations-Kanäle kann die PR nicht ohne den Journalismus sein. Denn je zahlreicher die Informationsquellen, desto kleiner die Übersicht und desto wichtiger werden unabhängige Medien, die einordnen und gewichten. Edelman zeigt dies jährlich mit seinem Vertrauens-Barometer (Zusammenfassung der Resultate). Erst vor kurzem hat das eine Studie auch für die Schweiz gezeigt: sogar Jugendliche vertrauen im Zweifelsfall eher den klassischen Medien als dem Web (Blogpost).
Wer also hat die Vorherrschaft? Die Frage bleibt offen. Sicher ist: In Zeiten von Social Media hat sie niemand alleine. Weder die PR noch die Journalisten, noch die Öffentlichkeit.
Weiterführend
Twitter-Diskussion zu Buch und Anlass
Mediensterben: vom Qualitätsjournalismus ins Corporate Publishing?
Bild: National Film and Sound Archive of Australia bei Flickr, cc-by-nc-nd