OSINT-Linkperlen für Kommunikations-Profis

Open Source Intelligence (OSINT) wird im Daten-Ozean der globalisierten Gesellschaft immer wichtiger. Ursprünglich im Nachrichtendienst und Investigativ-Journalismus präsent, gehören OSINT-Recherchen heute auch auf die Spielwiese von Marketing bis Corporate Communication. Zahlpflichtige und gratis Tools reichen von Suchmaschinen über Datenbanken zu AI-basierten Datenvisualisierungen. Hier einige coole Links für Kommunikations-Profis.
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Bei ‚OSINT‘ denken viele an den Ukraine-Krieg: an Militär, Nachrichtendienste, Propaganda, User, Bloggerinnen, Kriegsreporter die, Daten aus frei verfügbaren Quellen aus dem Daten-Ozean analysieren und in ihren Netzwerken verbreiten. Beispiel: Ein 22-jähriger Bieler mit 170’000 Twitter-Follower dokumentiert mit OSINT-Recherchen Kriegsgräuel oder Truppenmanöver und dient der NZZ als Quelle.

OSINT für PR/Kommunikation?

Open Source Intelligence bezeichnet die Gewinnung von Informationen aus freien, offenen Quellen. Diese Minen werden geschürft, extrapoliert, verknüpft und analysiert für neue Erkenntnisse. Die Anwendung ist nicht beschränkt auf Geheimdienst, Journalismus oder IT. Public Data Mining ist auch für klassische Kommunikationsfelder, PR und ‚Relations-Aktivitäten‘ sehr interessant. Wer gehört zu meinem Umfeld? Wer sind thematische Stakeholder?  Wer vertritt in einer öffentlichen Debatte welches Narrativ? Welche Keywords oder Hastags sind kampagnenmässig am trenden? Oder ganz simpel: Wann tweetet Bundesrat @Alain_Berset (184.4 Tausend Follower)? Für viele Fragen, die sich punkto Monitoring, Vernetzung, Wording, Narrative, Zielgruppen stellen, generiert OSINT erste Antworten.

Bild: Bundesrat Alain Berset tweetet mit Vorliebe Donnerstags zwischen 14h00 und 17h00.

Ein paar OSINT-Linkperlen zur politischen Kommunikation

Hier eine kleine Auswahl an OSINT-Tools mit Fokus politische Kommunikation:

  • Politische Netzwerke

Lobbywatch hat sich ganz der Transparenz verschrieben. Auch wenn Lobbying im Volksmund einen schalen Beigeschmack trägt: politische Arbeit von Unternehmen, Organisationen, Verbänden, Gewerkschaften, Umweltschützer etc. in und rund ums Parlament gehört zu unserer lebendigen Demokratie. Mehr noch: Sie ist wichtig, um ein Milizparlament und eine Konkordanzregierung in ihrer Arbeit zu unterstützen. Dazu gehört eine gesunde Portion Transparenz, wie sie Lobbywatch in Netzwerken visualisiert. Es zeigt Verbindungen von Parlamentarier:innen, Zutrittsberechtigten zur Wandelhalle und diversen Akteuren der politischen Arena. Eine praktische Sammlung für eine personalisierte Akteurslandschaft.

  • Tools für Twitter-Analysen

Twitter ist für die Politkomm die relevanteste Social Media Plattform. Spannend werden Inhaltsanalysen dank zwei Tools: Accountanalysis ist ein einfaches Tool, um Twitter-User zu untersuchen: Wieviel hat er/sie getweetet? Tweet-Typen, Sprache, Interfaces? Welche Hashtags, Links werden verwendet? Wie sieht die Interaktion mit Usern aus? Bis zu 600 Tweets werden kostenlos analysiert. Für mehr gibt es die kostenpflichtige Pro Version. Auch Tweetbeaver bietet sich für einen einfachen Einstieg an, trotz unterirdischem Design. Seine Funktionen sind umso nützlicher, beispielsweise als Grundlage für Umfeldanalysen von Personen und Organisationen. Tweetbeaver zeigt Kreuzverbindungen zwischen Accounts, Interaktionen usw. an. Die ganze Followerschar (bis 10’000) einzelner User oder ihre Timeline kann als CSV-Datei heruntergeladen werden. Für eine Stichwortsuche sehr praktisch.

  • Tweetende Journalist:innen und Parlamentarier:innen

OSINT lebt vom lobenswerten Engagement einzelner User und dem Service von Institutionen. Davon profitiert, wer seine ersten Schritte in Richtung Public Affairs und politische Kommunikation unternimmt. David Bauer hat eine Liste twitternder Schweizer Journalisten zusammengestellt (hier die Twitter-Liste zum followen). Oder von Martin Stabe die Liste der Data Journalists. Dank den Parlamentsdiensten wissen wir auch, welche National- und Ständeräte im Amt einen aktiven Twitteraccount haben: nicht alle, aber erwartungsgemäss viele!

  • Kampagnen verfolgen: Dynamik, Verknüpfungen und Mechanismen

Viele Kampagnen laufen heute unter einem Hashtag. Was auf Schweizer Twitter trendet, erhöht den medialen Take-over. Hashtagify bietet sich hier als Einstiegs- Tool an, um mit einem Klick spannende Parameter sichtbar zu machen. Popularität, Trends, Campaigner-Accountes oder verwandte Hashtags und vieles mehr werden grafisch und prozentual dargestellt. Tiefergreifende Analysen und Monitoring-Optinen gibt es in einer Paid-Version.

  • Netzwerke visualisieren mit Maltego (kostenpflichtiges Programm)

Maltego sammelt Informationen und visualisiert sie in Grafiken und Diagrammen. Social Media, Datenbanken oder Suchmaschinen dienen als primäre Quellen, wobei das Data-Mining  weitere Quellen umfassen kann. Spannend ist die visuelle Darstellung von Knotenpunkten, Beziehungsgeflechten mit der Möglichkeit zu gewichten und hierarchisch zu struktuieren. Korrelationen und Cluster werden sichtbar. Ab ein paar Tausend Franken pro Jahr ist man dabei, gemeinsam mit Investigativ-Journalisten, Unternehmen, polizeilichen Ermittlungbehörden, Nachrichtendiensten und IT-Sicherheitsprofis.

OSINT zeigt auch Schwachstellen und Issues auf

OSINT ist nützlich. Flight tracker, Satellitenaufnahmen, Nummernschildrecherche oder Geolokalisierung helfen häufig, Missstände aufzudecken. Die schiere Menge öffentlich zugänglicher Daten sollte uns in unserer Informationsgesellschaft auch Sorgen bereiten. OSINT zu Internet of Things (IoT) oder Hintergrunddaten von Websites bieten für Hacker Steilvorlagen. Auch das Risiko einer ‚freiwilligen‘ Überwachungsgesellschaft steigt, wenn der Schutz der eigenen Privacy so komplex ist, dass er schon fast einer eigenen Weiterbildung bedarf.

Gleichzeitig erschwert die Dynamik von Informationsverbreitung sehr oft eine jeweils notwendige kritische OSINT-Überprüfung. Eine virale Falschinformation (manipulierte Bilder) kann innert kurzer Zeit von einer Quelle in einen Twitter-Hype übergehen. Die anschliessende Durchlässigkeit zu klassischen Online-Massenmedien ist mittlerweile gross. Das schadet dem öffentlichen Diskurs, ist demokratiepolitisch bedenklich und ganz konkret für Kommunikationsprofis in der Krise eine grosse Challenge.

Trotz kritischer Betrachtung, bleiben Nützlichkeit und Potenzial von OSINT immens. Wer kennt weitere OSINT für die Kommunikation- und PR-Branche? Erweitern Sie die Liste in der Kommentarsspalte, merci!

Weiterführende Informationen:

Bild: @fern_nano via Unsplash

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