Erschreckend oft scheitert inklusive Kommunikation und Werbung nicht erst daran, dass Organisationen nicht den Mut haben, sich zu exponieren, politisch zu positionieren oder die Welt zu verändern. Die Problematik beginnt schon, wenn Inhalte 2022 weiterhin Lebensentwürfe der 50er-Jahre replizieren – anstatt unsere reale gesellschaftliche Diversität abzubilden.
Welche Rollenbilder leben wir?
Gendergerechte Sprache und immer noch eine Person of Color in der Mitte des Bildes: Solche kommunikativen Elemente laufen Gefahr, fürs «woke washing» instrumentalisiert zu werden. Lediglich (endlich) die Vielfalt der pluralistischen Gesellschaft wiederzugeben, wirkt viel authentischer. Dieses Ziel verfolgt das «Gislerprotokoll», welchem sich bereits 114 Agenturen verpflichtet haben.
Weiterhin weit weg von selbstverständlich
Stereotypen sind nach wie vor omnipräsent: «Wenn ein Alien – welches die Menschheit nicht kennt – nur Werbespots anschauen würde, dann ginge es davon aus, dass 90 % der Weltbevölkerung Männer sind. Und Frauen nur die dekorative Funktion von Topfpflanzen übernehmen», sagt Nina Bieli, Präsidentin des Vereins «Gislerprotokoll» und Agency Communication Director bei Jung von Matt.
Auf Social Media sieht dies schon anders aus. Hier ist vieles nicht mehr gültig, was so lange gültig war. Hier sind Frauen – zumindest in der Werbung und im Content der Unternehmenskommunikation – weniger häufig auf ihre Schönheit reduziert und stumm. «Auf diesen Kanälen sind sich Brands bewusst, dass sie inklusiv kommunizieren müssen, um die Zielgruppe abzuholen. Wir haben jedoch festgestellt, dass es dann dort oft aufhört…» Bei anderen Massnahmen würden Diversität und Inklusion weiterhin massiv weniger berücksichtigt als auf den Socials.
Kommunikation könnte auch unaufgeregt, by the way und ohne Übertreibung repräsentativer gestaltet werden. «Vielfalt ist Realität. Wir wollen sie ernst nehmen. Es würde doch niemand mit wahnsinniger Wokeness vergrault, wenn wir mal eine Frau am Steuer sähen», gibt Nina Bieli zu bedenken.
Veraltete Vorstellungen aufbrechen statt weiter zementieren
Frauen schwitzen nicht. Frauen kämpfen nicht. Zumindest nicht, wenn man die vorwiegend stereotypen Darstellungen betrachtet, mit denen wir noch immer konfrontiert werden. Dass dies nicht stimmt, weiss auch Daria Bohli, Kommunikationsverantwortliche beim Präventionsprogramm «cool and clean» von Swiss Olympic. Und Männer sind handkehrum nicht immer Helden und Gewinner, sondern stehen unter Druck, haben Schwächen und Emotionen. Dies sollten wir zeigen und normalisieren.
Vielfalt durch Storytelling
Beispielsweise anhand von persönlichen Geschichten, welche den Figuren Raum für ihre Komplexität lassen, empfiehlt Daria Bohli. «Wir achten auch darauf, keinen germanophonen Tunnelblick zu haben», gibt sie zu bedenken. Sie ruft dazu auf, jetzt die Hürden für später zu nehmen: «Achtsam bleiben, was Allgemeinplätze angeht. Internen Diskussionen und Prozessen nicht aus dem Weg gehen. Und eine zusätzliche Feedback-Runde in Kauf nehmen.»
Fazit vom 66. Social Media Gipfel:
Es gibt noch viel zu tun – selbst auf der Ebene der binären Geschlechterlogik. Umso mehr bei der Sichtbarkeit aller Diversitätsspektren und Minderheiten. Dabei würde ein leichter Klischeeknick oft schon reichen. Nehmen wir unsere Verantwortung als Werbe- und Kommunikationsprofis wahr.
Video des 66. Gipfels von kameramann.ch
Slides der beiden Referentinnen:
Herzlichen Dank an die Valiant Bank für die treue Unterstützung des #SMGBE durchs Sponsoring. Merci auch an die super Location – die Vierte Wand in Bern – für Gipfeli zum Gipfel, Kaffee und die Gastfreundschaft.
Weiterführend:
- Bernet Relations verpflichtet sich dem Gislerprotokoll.
- Bernetblog zum Überwinden von Bubbles
- Alle Beiträge zum Social Media Gipfel