Als Primeur von «Journalist:innen im Web 2024» erhielt die #smgzh-Community Einblick in die gewonnen Erkenntnisse. Zusammen mit Guido Keel von der ZHAW haben wir 8 kontroverse Thesen aufgestellt und sie mit drei Medienschaffenden aus der Studie diskutiert:
4 Thesen für Journalist:innen
- Communities auf Social Media müssen längerfristig aufgebaut und gepflegt werden.
- Wer sich für die 1:1-Kommunikation auf Mail und Telefon verlässt, erreicht seine Quellen ungenügend.
- Journalist:innen verstehen zu wenig, welche Wirkungen ihre Social-Media-Aktivitäten haben.
- Social Media zwingt Journalist:innen, sich noch klarer auf ihre Kerntugenden zu besinnen.
4 Thesen für Kommunikationsexpert:innen
- Für den Kontakt mit Journalist:innen gilt: Informationsvermittlung online – Dialog offline.
- Für Unternehmen und Organisationen ist ein systematisches Social-Media-Monitoring mindestens so wichtig wie das Medienmonitoring.
- Mit Social Media hat sich das One-Voice-Prinzip erledigt.
- Auch in Zeiten von Social Media bildet der Mediencorner auf der Website das Herzstück der Online-Kommunikation.
Mit Social Media Vertrauen aufbauen
Dass Beziehungsaufbau und -pflege längst nicht mehr nur offline passiert, steht auch für die anwesenden Medienschaffenden ausser Frage. Johanna Wedl, Redaktionsleiterin bei den Reformierten Medien, betont die Ambivalenz beim Thema Social Media. «Für mich sind die sozialen Medien ‘Frenemies’.» Für sie als kleines Medienunternehmen sei ihre Bedeutung gross, der Aufwand für den Community-Aufbau jedoch auch. Dieser lohne sich aber allemal, denn besonders auf LinkedIn liessen sich neue Zielgruppen erschliessen. Ein Social-Media-Auftritt verrät zudem viel über eigene Wertvorstellungen – dies dient Petar Marjanović, Redaktor bei K-Tipp/Saldo, als Basis für den Austausch und hilft beim Abwägen, ob sich die vertiefte Beschäftigung mit einer Anfrage überhaupt lohnt. Vertrauen lasse sich nicht nur im direkten Gespräch mit dem Gegenüber aufbauen.
Ein neues Bewusstsein für Kanäle und Zielgruppen
Widerstand regte sich hingegen – unisono – bei der These, dass Journalist:innen zu wenig verstehen, welche Wirkungen ihre Social-Media-Aktivitäten haben. Das sei eine naive Vorstellung. Pascal Nufer, freischaffender Journalist, ist überzeugt, dass sich das Bewusstsein dafür in den letzten Jahren enorm gewandelt habe. Auch, weil einige Shitstorms kassiert worden seien. Feedback aus der Community erfolge immer schnell und direkt. Die Schnelllebigkeit von Social Media sei hier Fluch und Segen zugleich, «steckt man mitten im Shitstorm ist es furchtbar, aber Vieles wird auch schnell wieder vergeben und vergessen.»
Vereinfachen und Verdichten als Kernaufgaben im Journalismus entsprechen den Anforderungen auf Social Media. Und doch seien viele weitere Kompetenzen gefragt; Analysieren, Recherchieren, Diskutieren. Die Vertiefung in ein Thema auf den Socials sei schwierig und bedeute im Daily Business nicht selten einen Spagat zwischen den Erwartungen an den Content für Social Media und an den Content, den es in grösserem Umfang aufzubereiten gilt.
3 Tipps für Kommunikationsverantwortliche aus der Perspektive der Journalist:innen:
- Die richtige Ansprechperson finden: Bei der Kontaktaufnahme so gezielt wie möglich vorgehen. Ohne Affinität zum Thema wird es schwierig. Es lohnt sich, die passende Journalistin, den passenden Journalisten zu recherchieren.
- Wertvolle Zeit ersparen: Aufmerksamkeit ist ein rares Gut. Um Medienschaffenden die Arbeit so einfach wie möglich zu machen, relevante Informationen und Daten gut aufbereitet anliefern. Marketingmaterialien seien höchstens als Zusatz erwünscht.
- Gute Storys liefern: Im Kern steht nach wie vor die Geschichte. Bringt relevante Themen.
Auch bei dieser Gipfel-Ausgabe kam zum Schluss die Nostalgie nach dem guten, alten Twitter auf. Der Austausch auf diesem Kanal fehle merklich. In den Worten von Petar Marjanović: «X ist tot. Es ist mittlerweile eine Porno-Plattform für rechtsradikale, alte, weisse Männer.» Auch wenn die Plattform gemäss Pascal Nufer für die Berichterstattung im asiatischen Raum nach wie vor interessant sei, ist man sich einig: Twitter war das Pendant zur geliebten Stammbar. Und in die neue Bar wollen sie nicht. Bleibt abzuwarten, an welchem Tresen der Austausch künftig stattfinden wird.
Impressionen des 74. Social Media Gipfels von Boris Baldinger
Die Kernbotschaften im Video von www.kameramann.ch
74_#SMGZH: Journalist:innen im Web 2024: Recherche, Publizieren und Diskutieren im digitalen Alltag from socialmediagipfel on Vimeo.
Die Slides zum Downloaden:
Vielen Dank an news aktuell für das Sponsoring von Kafi, Gipfeli und Infrastruktur & ans tibits Bistro Zürich für die Gastfreundschaft.
Weiterführende Informationen:
- Zur vollständigen Studie «Journalist:innen im Web 2024»
- Alle Beiträge im Bernetblog zur #jstudie
- Alle Beiträge im Bernetblog zum Social Media Gipfel
- Der nächste Social Media Gipfel findet am 4. September in Bern statt. Save the date!