Journalist:innen im Web: Gian Paolo Driussi, Bundeshausredaktor RSI

Social Media sieht Gian Paolo Driussi als journalistisches Medium, das sich seinen Platz neben Zeitungen, Fernsehen und Radio verdient hat. Er schätzt, wie unmittelbar und bevölkerungsnah sie sind, hadert jedoch damit, wie oberflächlich vieles gelesen wird.
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Die Serie «Journalist:innen im Web» porträtiert Journalist:innen und ihren Alltag im Social Web im Rahmen einer qualitativen Studie von Bernet Relations und der ZHAW. Die Zusammenfassung und Auswertung der Studie erfolgt (bereits zum vierten Mal nach 2015, 2017 und 2019) im Frühling 2024. Der Hashtag zur Studie: #jstudie24.

Gian Paolo Driussi nutzt Social Media geschäftlich und privat – um zu informieren und sich informieren zu lassen, aber auch um zu unterhalten und unterhalten zu werden. Quasi in Echtzeit könne er Ereignisse verfolgen und teilen. «Während einer Demonstration im Zentrum von Bern kommuniziert die Polizei fast in Realzeit über X (Twitter) die relevanten Informationen. Ich selbst habe über mein Facebook-Profil eine Anti-Corona-Demonstration live dokumentiert und kommentiert.»

Von Sozialen Netzwerken zu Sozialen Medien

Die Veränderung von Social Media in den letzten Jahren nimmt er als markant wahr: Sie seien von Sozialen Netzwerken zu richtigen Medien geworden. «Social Media sind mittlerweile ein eigenes Medium, dass neben Zeitungen, Radio, Fernsehen und Internetseiten existieren kann.» Dennoch hätten sie ihren Netzwerkcharakter nicht verloren. (Fast) alle könnten auf Social Media interagieren und so könne man am Puls der Bevölkerung bleiben, aber es könne auch schnell chaotisch werden. «Wenn nicht aufgepasst wird, kann das schnell zu einem Birchermüesli werden.»

Dem nächsten Artikel auf der Spur

Am meisten hätten die Sozialen Medien die Art und Weise verändert, wie Geschichten gefunden werden. Manchmal beginne die Suche nach Anregung für eine nächste Story auf Social Media, gerade wenn es um Persönliches geht. «Auf den Sozialen Medien finde ich Inspiration für Geschichten, die vertieft werden können – von der Ahnung, dass aus einem Post eine Story werden könnte, arbeite ich mich bis zum fertigen Artikel.»

Posten statt Telefonieren

«Die Sozialen Medien haben den Kontakt mit Unternehmen unpersönlicher gemacht. Es kommt durchaus vor, dass sie einen Tweet posten, aber niemand ans Telefon geht.» Auch Privatpersonen seien manchmal über LinkedIn oder Facebook erreichbar, wenn sie Anrufe nicht entgegennehmen oder nicht auf SMS antworten. «Protagonist:innen einer Story nehmen oft online Stellung und erzählen ihre Version der Geschichte. Wenn ich sie telefonisch nicht erreichen kann, um etwas zu bestätigen oder zu verneinen, sie es aber auf Social Media kommunizieren, reicht mir das aus.»

Ton und Thema müssen zum Medium passen

Nicht alle Themen würden sich gleich gut für Social Media eignen: «Wenn es um Menschen geht und der Ton etwas aggressiver sein darf, kommt das auf den Sozialen Medien gut an. Komplexere Themen mit ‘administrativem’ Charakter machen sich hingegen weniger gut.» Die Sozialen Medien würden zwar die Reichweite von Artikeln erhöhen, aber oftmals gäbe es im Gegenzug Leser:innen, welche die Artikel nur oberflächlich lesen. «Es frustriert mich, wenn die Leute sich eine Meinung bilden, obwohl sie nur den Titel gelesen haben. Oft kommt es auch vor, dass ein Artikel unaufmerksam gelesen wird und die Leute sich weigern, ihn zu verstehen.»

Steckbrief

Gian Paolo Driussi, 45
Bundeshausredaktor RSI

Facebook seit 2009
Twitter/X seit 2018
LinkedIn seit 2020
Instagram seit 2022

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