Die menschliche Aufmerksamkeitsspanne ist laut einer Studie von Gloria Mark et al. (2023) von 2,5 Minuten im Jahr 2004 auf durchschnittlich 47 Sekunden in 2023 gesunken. Hier kommen Datenvisualisierungen und Infografiken ins Spiel. Warum? Weil sie wirken. Sie vermitteln komplexe (und auch weniger komplexe) Inhalte und Prozesse klar und haben einen hohen Wiedererkennungswert. Und weil sie Spass machen – deutlich mehr als Textwüsten. Dass sie zudem zu Interaktionen anregen, macht sie insbesondere für Social Media Gold wert: clickeable, likeable, shareable. Manchmal sogar polarisierend. Nicht zuletzt: manchmal retten Datenvisualisierungen auch Leben, wie ein Beispiel aus dem 19. Jahrhundert aufzeigt:
Semmelweis und die Kraft (und Grenzen) der Datenvisualisierung
Im Jahr 1847 erkannte der Wiener Arzt Ignaz Semmelweis, dass die Sterblichkeit auf einer Geburtsstation deutlich höher war als auf einer anderen – und dass mangelnde Handhygiene bei Ärzten die Ursache war. Er stellte die Sterblichkeitsraten grafisch gegenüber. Durch diese einfache, aber wirkungsvolle Datenvisualisierung wurde der Unterschied unübersehbar.
Die Zahlen waren da und die visuelle Darstellung machte das Problem auf einen Blick sichtbar. Und doch wurden seine Erkenntnisse zunächst ignoriert. Nicht etwa, weil sie unklar waren – sondern weil das medizinische Weltbild seiner Zeit sie nicht zuließ. Es fehlten das richtige Narrativ, die Glaubwürdigkeit, das kommunikative Umfeld – und schlicht das Timing. Was bedeutet das?
Visualisierung kann Daten sichtbar, verständlich und handlungsrelevant machen – aber um zu wirken, brauchen sie Kontext, Akzeptanz und strategische Kommunikation.
Die Lehren daraus sind heute aktueller denn je: Daten gibt es en masse. Aber nur wenn wir sie visuell smart aufbereiten und zur richtigen Zeit, über die richtigen Kanäle und Personen kommunizieren, können sie etwas bewirken.
Was also macht eine Infografik erfolgreich?
- Klarer Fokus: Eine zentrale Aussage statt Datengemetzel. Was genau möchte ich erzählen – was ist wichtig, was kann raus?
- Visuelle Einfachheit: Weniger ist mehr. Schnell erfassbar, reduziert auf das Wesentliche.
- Narrativ und Zielgruppenbezug: Wer ist mein Publikum und wie erzähle mit Daten eine Geschichte mit Bedeutung?
- Richtige Darstellungsform für den Inhalt – z. B. Linie für Zeit, Balken für Vergleich.
- Glaubwürdige Quellen: transparent, vertrauenswürdig und nachvollziehbar
- Kontext statt Zahlenwüste – Achsen, Einheiten und Quellen klar darstellen
Und wie die Semmelweis-Geschichte illustriert:
- Timing & Kommunikation und die richtigen Multiplikatoren: Auch die beste Datenvisualisierung wirkt nur, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt, im richtigen Kanal kommt.
Verstehen wir Visualisierung nicht als Trend, sondern als Werkzeug. Infografiken sind keine „nice to have“-Elemente, sondern eine Chance, Informationen verständlich, emotional und wirksam zu transportieren – und damit nachhaltige Wirkung zu erzielen.
Diese Erkenntnisse stammen aus gelebter Praxis: Beim Datenportal Statista habe ich über mehrere Jahre hinweg einen internationalen Infografik-Newsroom aufgebaut und geleitet – und dabei erlebt, welche Wirkung gute Visualisierung unter anderem auf Reichweite und Markenbildung haben kann. Ein zentrales Prinzip war dabei immer: „Eine Grafik muss passen“ – sie muss relevant sein: für den Moment, das Medium und die gesellschaftliche Stimmung.