Vor zwei Wochen ging Google+ live – Zeit für eine erste Beurteilung. Fazit: Das grosse blaue Sofa Facebook erhält einen Rivalen, den Kommunikations-Profis auf den Radar nehmen müssen. Die Beta-Version zeigt ein buntes Sofa in aufgeräumten Google-Farben. Es bietet bequeme Vernetzung bekannter Google-Dienste und wird sich aus meiner Sicht für unternehmerische Inhalte und den Ausbau von Reichweiten etablieren.
Damit bekommen alle etablierten Sozialen Netzwerke – und vor allem auch Twitter – eine ernst zu nehmende Konkurrenz. Und wir Kommunikations-Profis müssen etwas Neues lernen, es in unsere Strategie integrieren und Umsetzungsressourcen aufbauen. Hier die wichtigsten Punkte aus zwei Wochen Praxistest und Recherche.
Google+ ist Twitter mit Dialog
Googles neuer Dienst sieht erst mal aus wie Facebook: Drei Spalten in der gewohnten Aufteilung, in der Mitte die Pinnwand mit Einträgen. Erstes Staunen: Googles buntes Sofa ist ausserordentlich ruhig und klar gestaltet – vom ehemaligen Apple-Designer Andy Hertzfeld.
Hinter dieser Optik liegt ein entscheidender Unterschied zu Facebook, LinkedIn oder Xing: Freundschaften müssen nicht gegenseitig bestätigt werden. Marcel Bernet kann Jürg Stuker folgen, ohne dass er sich für mich interessieren müsste. Damit funktioniert G+ wie Twitter. Natürlich können die Einträge hier länger sein als die 140 Zeichen und beigefügte Links, Bilder oder Videos werden direkt dargestellt. Textformatierungen (fett, kursiv usw.) sind nur mit Codes möglich – dafür gibt es aber bereits einen praktischen Spickzettel in vielen Sprachen. Die deutsche Version von Tobias Schnetter illustriert hier gleich weitere zentrale Funktionen für Buntsofa-Neulinge:
Drei Bereiche: Circles, Hangouts und Sparks
Dabei sein kann man in der aktuellen Beta-Phase auf Einladung (Anleitung von Jean-Claude Frick) oder manchmal über plus.google.com. Weil Google von Interessierten überrannt wird, sind Neuzugänge nicht immer möglich. Grüezi sagt Google mit dieser Übersicht der drei Plus-Bereiche:
Wer es gerne ordentlich, der zieht seine Kontakte in übersichtlich dargestellte «Kreise», eine Person kann auch mehreren, selbst definierbaren Kreisen zugeordnet werden. Wer seine Facebook-Freunde auch schon lange mal aufräumen wollte, kann dies dank circlehack.com auf ebenso intuitive Weise tun, wie von G+ vorgemacht.
«Hangouts» sind Gruppen-Chats mit oder ohne Video für bis zu zehn Personen. «Sparks» machen es möglich, Inhalte nach eigenen Filtern zu lesen. Die man natürlich aufsetzen und pflegen muss. Anleitungen dazu überschwemmen gerade das Web – auf meiner Leseliste steht auch der blitzschnell gestartete gpluseins-Blog.
Noch nichts für Firmen – ausser Ford?
Irgendwo zwischen fünf und zehn Millionen G+-Profile soll es schon geben – 100’000 hat FindPeople ausgewertet: Drei Viertel sind männlich, die Mehrheit Ingenieure, Programmier, Web-Entwickler. Zugelassen sind eigentlich nur Personen; Google+ Product Manager Christian Oestlien bittet Unternehmen und Marken um Geduld. Ein ganzes Team arbeitet an einem Firmenbereich, der «weitere Dienste wie Analytics oder Adwords» einbettet. Firmenauftritte werden «in Rücksprache mit den Eigentümern aktiv entfernt». Ford ist noch aktiv – zur Sicherheit ein Screenshot:
Fazit: Potenzial für Business, noch mehr Aufwand
Google+ gehört wohl für die geschäftliche Nutzung bereits in den engen Kreis der wichtigen Sozialen Netzwerke. Diesen Kreis mache ich sehr ungerne grösser – jedes neue Netzwerk zwingt mich zu mehr Aufwand: Ich muss monitoren, lernen und ich darf nicht einfach Copy-Paste-Beiträge aus Twitter oder Facebook auf Google+ schmeissen, wenn ich hier wirklich eine Präsenz aufbauen will.
Meine Kinder werden auf Facebook bleiben. Meine Geschäfts-, Medien-, Kommunikations- und Social-Media-Kontakte scheinen schon alle da zu sein. Google+ wird das B2B Netzwerk mit starkem News-Charakter. Wer die Präsenz hier pflegt, wird wissensorientierte Kontakte schaffen und die Reichweite seiner Inhalte im Google-Universum erhöhen.
Google Places aktivieren – und lernen
Spannend wird es, wenn das Sortiment der Google Apps von Places bis Mail tiefer integriert ist. Mike Schwede von Goldbach Media kann sich vorstellen, dass Google Plus andere Anwendungen wie Yammer für die interne Zusammenarbeit ablöst.
Es sind erst zwei Wochen seit dem Start – auf alle Fälle haben wir Kommunikationsprofis etwas Neues zu lernen. Schauen Sie rein. Und aktualisieren Sie Ihren Firmen-Eintrag auf Google Places – das habe ich schon Anfang Jahr in meinem Vortrag Social Media für KMU gesagt, Mike Schwede hat den Tipp im heutigen Gespräch aktualisiert.
Google Schweiz ist Kunde von Bernet_PR. Dieser Beitrag spiegelt Marcel Bernets persönliche Meinung und professionelle Einschätzung des Dienstes.
Sascha Lobo sieht G+ als GoogleNews auf Speed und Twitter-Konkurrenz: Spiegel Online.
Die beste Übersicht von Kommentaren aus den USA, auch aus Mediensicht: NiemanLab.
So war’s bei Facebook zu Beginn: Der erste Artikel, in dem ich den Dienst als «grosses blaues Sofa» bezeichnet habe.