Sperrfrist: Startverzögerung gezielt einsetzen

/

Schwimmerinnen beim StartDie Sperrfrist macht aus einer Medienmitteilung ein befristetes Geheimnis, das mit Auserwählten geteilt wird. Ist sie in der digitalen Welt noch sinnvoll? Und wenn ja, wann?

Meine Grundhaltung vorneweg: Ich finde Sperrfristen verstaubt und wichtigtuerisch. Sie Embargo zu nennen, macht es nicht besser. Trotzdem nachfolgend Gründe, Medienmitteilungen zu versenden und auf Zeit zu spielen.

Planung statt Sperrfrist
Besser als eine Sperrfrist ist gute Planung beim Versand. Um Teilnehmende einer Medienorientierung nicht zu benachteiligen, verschickt man die Mitteilung erst nach dem Anlass. Am besten so, dass die Teilnehmenden noch Zeit haben, Fragen zu stellen und in die Redaktion zurückzukehren. Wenn allerdings während der Veranstaltung bereits getwittert wird, ist es unmöglich den Teilnehmenden diesen Vorteil zu erhalten. Ein Twitterverbot wäre noch schwerer durchzusetzen als eine Sperrfrist.

Vorzugsbehandlung als Ausnahme
Absprachen und Vorauslieferungen sind manchmal nötig: Wochen- und Monatspublikationen haben oft Tage vor Erscheinen Redaktionsschluss. Produktion und Sendezeiten von Radio und Fernsehen erfordern ebenfalls Vorausinformation und Vorzugsbehandlung.

Wer einzelne vorab informiert, muss wissen, warum er diese bevorzugt und dass er damit andere benachteiligt. Wenig nachhaltig ist es, Das-sage-ich-jetzt-nur-dir mit allen zu spielen.

Sperrfrist gleich Spam?
Wenn ein Versand mit Sperrfrist nicht zu vermeiden ist, gilt: im Mail zuoberst und deutlich kennzeichnen. Es gehört zur Solidarität der Medien untereinander, Sperrfristen zu beachten. Für eine verfrühte Publikation genügt aber ein Klick. Und es gibt keine rechtliche Handhabe gegen die Nichtbeachtung der Sperrfrist. Absender sollten also das Worst-Case-Szenario durchspielen und allenfalls mit dem Versand warten.

Andererseits sind Organisationen, die alle/fast alle Medienmitteilungen mit Sperrfrist verschicken wenig glaubwürdig. Der Versuch, Banales so aufzublasen, schadet der Institution Sperrfrist. Die nachvollziehbare

S P E R R F R I S T

eines vertrauenswürdigen Absenders hat aber beste Chancen beachtet zu werden.

  • Kategorien
  • Tags

Kommentieren

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

* Pflichtfelder

Beiträge

  • Die Sperrfrist wird im Zeitalter von Social Media ja schon seit Jahren als Relikt bezeichnet. Doch Totgesagte leben länger. Nach wie vor kann es durchaus Sinn ergeben, besonders relevanten Medien und Multiplikatoren vorab einen Hinweis zu geben und sie ggf. mit Bildmaterial oder Ansprechpartnern zu versorgen, damit sie am Tag X – beispielsweise anlässlich einer Produktveröffentlichung – adäquat berichten können. Das gilt gerade, wenn es sich um Special-Interest-Publikationen mit Vorlauf handelt.

    Aber das Ganze ist und bleibt ein Politikum und eine Gratwanderung, kann auch rasch für Ärger und Diskussionen sorgen. Ich habe das früher als Journalist erlebt – und das Spiel manchmal auch recht weit getrieben. Die Kür: Unternehmen dazu bewegen, dass sie den Tag einer Produktpräsentation am Erscheinungstermin des eigenen Mediums ausrichten.

    Am Ende können Sperrfristen für beide Seiten nützlich sein – für Medien und/oder Blogger und auch für die Absender. Aber nur, wenn sie mit Bedacht eingesetzt werden.

    Vielleicht funktioniert „Sperrfrist“ ins heutige Zeitalter übersetzt auch einfach anders: in Form einer vertrauensvollen Zusammenarbeit, die gegenseitige Rücksichtnahme und damit auch eine Absprache zum Veröffentlichungszeitraum ermöglicht.

    Nur: Wo hört „vertrauensvoll“ auf und fängt Klüngelei an?

    Spannendes Thema.

  • Eigentlich ist es ziemlich simpel: Sperrfristen wurden geschaffen, damit in den Redaktionen Zeit blieb, die mitgeteilte Information zu verarbeiten und den Mantel der Diskretion über den Inhalt zu legen, bis die Zeit reif ist, dass die Öffentlichkeit informiert werden kann.

    Mit qualitativ guter Medienarbeit kann man ersteres entschärfen. Kriegen Medienschaffende brauchbar (heisst: nach journalistischen Gesichtspunkten) aufbereitete Informationen, sind diese schnell verarbeitet. Die heutigen technischen Mittel lassen eine um ein Vielfaches schnellere Arbeit zu als noch vor 20 Jahren, wo hinter dem Schreiber noch der Setzer, der Lithograf und der Drucker warten mussten.

    Den Mantel der Diskretion muss man nicht aus dem Schrank holen, wenn die Information gut (und das heisst vor allem: nahe am Redaktionsalltag) geplant ist. Die Medienmitteilung kann gut warten, bis z.B. alle Internen oder Betroffenen informiert sind.

    Sperrfristen können aber durchaus auch als verständnisvolle, kollegiale Massnahme unter Kommunikationsprofis betrachtet werden: Findet am Freitagabend eine Preisverleihung statt, die bis im letzten Moment alle überraschen soll (insbesondere den Preisträger), ist der Journalist froh, wenn er am Nachmittag bereits alle relevanten Informationen hat, alles aufbereiten kann und dann spätabends nicht mehr allein in der Redaktionsstube ein paar Zeilen in den Computer hämmern muss und das Wochenende nicht verpasst. (Selbst oft genug erlebt, aber dankbarerweise nie in Zusammenhang mit der Autorin dieses Blogs 😉 ) Wo das anfängt? Kurz: Dort, wo man bei aller Professionalität auch auf einer guten, persönlichen Ebene miteinander umzugehen vermag.