Journalisten im Web: Emil Bischofberger, Sportredaktor Tages-Anzeiger

Während Facebook fast ganz aus dem Arbeitsalltag von Sportredaktor Emil Bischofberger verschwunden ist, sieht er Twitter mittlerweile gar als primäre Infoquelle. Er nutzt den Kanal intensiv und sieht sein Engagement auch als Service an seinen Followern und Lesern.
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Die Serie «Journalisten im Web» portraitiert Redaktorinnen und Redaktoren und ihren Alltag im Social Web im Rahmen einer qualitativen Studie von Bernet Relations und der ZHAW. Die Zusammenfassung und Auswertung der Studie erfolgte (bereits zum dritten Mal nach 2015 und 2017) im Herbst 2019. Der Hashtag zur Studie: #jstudie19. 

«Twitter ist eigentlich der einzige Ort, wo ich wirklich «Breaking News» erfahre,» sagt Emil Bischofberger. «Ich brauche es früh morgens erstmals und dann den ganzen Tag über immer wieder. Social Media bedeutet für mich darum fast ausschliesslich Twitter. Auch auf Instagram folge ich einigen Sportlern – dies aber eher privat.»

(Re-)Tweeten mit Verstand

Wo im Arbeitsprozess spielt Twitter die grösste Rolle? Bischofberger: «Das eine geht ins andere über, mittlerweile spielt es auf allen Ebenen eine Rolle. Ein relevanter Tweet retweete ich als Dienst an meine Follower. Oder ich speichere den Link für später. Bei der Twitter-Interaktion bleibt mir immer bewusst, dass mir andere Journalisten folgen. Ich überlege mir durchaus, was ich teile und kommentiere – ich will sie ja nicht auf meine gute Geschichte leiten. Der Versuch, sich mit relevanten Posts abzugrenzen gehört auch zum Berufsstolz.»

Geschichten auf der Metaebene

Wer oder was bringt relevante Informationen für gute Geschichten? Das passiere eher auf der Metaebene. «Es sind Experten, die interessante Sichtweisen und Hintergrundinfos einbringen. In den wenigsten Fällen sind es die Protagonisten selber, ausser in Fällen wo jemand kritisiert wird oder mal Druck ablässt.» Die Quellen und die Qualität der Aussagen liessen sich recht gut überprüfen. Genau hinschauen müsse man, sobald es um Doping oder Betrug gehe.

Videos erlauben den Blick aus der Zuschauer-Perspektive

Interessante neue Perspektiven und Sichtweisen bieten gemäss Bischofberger auch Videos von verschiedenen Absendern wie Fans oder Team-Mitglieder. Ein Kuriosum hierzu erlebte er selber an der Tour de France 2019: Er leitete ein spezielles Video von feiernden Fans auf seinem Twitterkanal weiter. Der Tweet ging viral und zählt bis heute mehrere Tausend Retweets und Likes. Bischofberger wusste nicht, wie ihm geschah: «Ich wachte morgens auf und mein Tweet hatte diese grossen Kreise gezogen. Ich weiss heute noch nicht wieso. Auch musste ich aufpassen, nicht für den Urheber gehalten zu werden, ich habe den Film ja nur geteilt.»

Twitter am Zenith und kein Massenphänomen

Obwohl Emil Bischofberger Twitter intensiv als Recherche-Kanal nutzt, sieht er Grenzen. Dass sich ein Publikumsdialog entfacht und sich hieraus Geschichten ergäben, sei selten. Als Sportreporter habe er eine recht klare Agenda. Und obwohl er gerade die Radsportler als «Twitter-early-Adopters» und überaus affin erlebt, sieht er den Kanal bei uns am Zenith angekommen. Dass sich das ganz breite Publikum auf Twitter engagiert, sei in unseren Breitengraden nicht zu erwarten.

Alter: 38
Funktion: Sportredaktor Tages-Anzeiger
Journalist seit: cirka 1997
Social Media: Twitter seit 2009, Facebook (privat) seit 2008

Weiterführend:
Alle Artikel über unsere Studie «Journalisten im Web»

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