Die Serie «Journalisten im Web» portraitiert Redaktorinnen und Redaktoren und ihren Alltag im Social Web im Rahmen einer qualitativen Studie von Bernet Relations und der ZHAW. Die Zusammenfassung und Auswertung der Studie erfolgt (bereits zum dritten Mal nach 2015 und 2017) im Herbst 2019. Der Hashtag zur Studie: #jstudie19.
Sitzt Nicole Meier in der Zentralredaktion am Desk, nutzt sie fürs Monitoring TweetDeck. «Manchmal,» sagt Meier schmunzelnd «denke ich sogar in TweetDeck-Spalten.» In der Spalte Medien beobachtet sie Geschichten, die die Redaktion betreffen können; Tweets von Medienschaffenden zeigen, was im In- und Ausland läuft; Behörden-Tweets ordnet sie als relativ neutrale Informationen ein; diejenigen von Politikern als persönlich gefärbt, und bei Tweets von Experten versucht sie einzuordnen, wie neutral sie sind und welche Interessen dahinter stehen.
Mehr Tempo, rascher Fakten-Check
Aus dem TweetDeck-Monitoring der Zentralredaktion fliessen die Informationen auch an die Regional- und Fachredaktionen. Verändert hat sich vor allem das Tempo: berichtet eine Medienseite (wie blick.ch, srf.ch …) über Breaking News oder einen Primeur, muss Keystone-SDA schnell reagieren und die Fakten prüfen. Eine Geschichte einer Medienseite, eines Politikers direkt übernehmen oder einfach abschreiben, entspricht nicht den Kriterien der Agentur.
Quelle und Bestätigungsregel
Die Redaktion arbeitet nach der Bestätigungsregel –und fragt immer bei der Quelle nach. Bei zahlreichen Geschichten, die über Social-Media-Kanäle verbreitet werden, ist dies jedoch schwierig.
Dringt zum Beispiel eine kontroverse Information aus der Bundesratssitzung an die Öffentlichkeit, kann Keystone-SDA diese Geschichte nicht einfach aufnehmen: Aufgrund des Kollegialitätsprinzips in der Regierung ist es kaum möglich, dazu eine Bestätigung zu erhalten.
TweetDeck und Add-ons
TweetDeck ist für Keystone-SDA ein guter Seismograf. Rasch und direkt bei den Quellen sind einzelne Regionalbüros auch mit Add-ons. Bei Abstimmungen und Wahlen mit Check4Change zum Beispiel auf den Resultate-Seiten der Kantone. Mit Follow That Page bei Verwaltungsseiten (Gerichte, Handelsregister) oder Organisationen wie die Post oder SBB.
Keine Folgegeschichten, kaum Dialog
«Wir können keine Geschichte aufnehmen, nur weil wir sie interessant finden», betont Meier. «Das Thema muss neu und faktuell sein.» Die Hürde ist hoch, und zahlreiche Reaktionen auf Social Media alleine sind noch kein ausreichendes Kriterium für die Agentur, um zu berichten.
Kunden von Keystone-SDA sind die Medien (Print und Online). Direkt mit den Leserinnen, Lesern steht die Redaktion kaum in Kontakt, ein Dialog auf den Social-Media-Kanälen findet nicht statt.
Teilen und Reichweite über Social Media
Die eigenen Geschichten nimmt Keystone-SDA selten auf dem eigenen Twitter-Kanal auf. Jeweils morgens versendet die Redaktion einen Programmtweet und an den Wahl- und Abstimmungssonntagen nimmt sie relevante Resultate auf. Immer direkt von der Quelle. Diese Tweets interessieren vor allem andere Journalisten, Politologen, Mitglieder von Parteien, Mitarbeitende von Behörden und der Verwaltung sowie interessierte Privatpersonen.
Ausgewogen und neutral
Keystone-SDA hat den Ruf, neutral zu sein und ausgewogen zu berichten. Nicole Meier: «Wir werten nicht und versuchen alle Meinungen zu berücksichtigen. Aber: bei uns kann man sich auch nicht inszenieren. Zum Beispiel einen Primeur stecken und gross rauskommen, das geht nicht.»
Meier twittert persönlich
Meistens übernimmt Nicole Meier das Twittern – ein Social-Media-Team hat die Redaktion nicht. Persönlich ist Meier auf Twitter und LinkedIn und nutzt diese vor allem beruflich – auf Facebook und Instagram ist sie nur privat unterwegs. Nicole Meier findet es wichtig, als Journalistin in der Bubble präsent zu sein.
Steckbrief:
Alter: 47
Funktion: Chefredaktorin Keystone-SDA, deutschsprachige Redaktion
Journalistin seit: 1995
auf Twitter seit: 2012
auf Facebook seit: 2008
auf Instagram seit: 2016
Weiterführende Informationen
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