Bernet nahe am Rad: Der Tour de Suisse Erlebnisbericht

Messerscharfe Kurven, Temperaturspitzen und dutzende Corona-Fälle. Die Tour de Suisse war auch dieses Jahr in der Öffentlichkeit sehr präsent. Als freiwilliger Helfer begleitete ich die intensive Velorundfahrt medial. Welche Learnings nimmt man aus so einem Grossevent mit?
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Die Tour de Suisse ist die viertgrösste Velo-Landesrundfahrt der Welt (nach Tour de France, Giro d’Italia, Vuelta España). Im Juni pedalierten 150 Radrennfahrer über 1500 Kilometer durch die Schweiz. Schweiss, Blut und Tränen gehören zu diesem Sport genauso wie Etappensiege, das Volksfest am Streckenrand und die tiefe Bewunderung für die Leistungssportler.

Die Arbeit im Medienteam

Nicht nur im Peloton, auch in der Organisation und mit allen involvierten Helfer:innen ist die Tour de Suisse ein mobiler Grossevent. Mediale Präsenz in Zeitungen, in Fachblogs oder auf Social Media läuft im Takt mit den Kilometern, die von den Rennfahrern in die Pedale getreten werden.

Dieses Jahr war ich erneut als Freiwilliger in der Kommunikation der Tour mit dabei. Nach mehreren Jahren als Social-Media Manager heuer in der Verantwortung für die hybriden Medienanlässe mit den Fahrern. Bei der Durchführung der Pressekonferenzen schlüpfte ich auch in die Rolle des ‚Interviewer‘, der den Fahrern mit dem Mikrofon spannende Aussagen entlockt.

Damit dies gelang, habe ich mir folgende sieben goldene Regeln aufgestellt und befolgt:

  • Über die Geschehnisse im Bilde sein: Ohne Kontext kein schlaues Interview. Nur mit viel Vorwissen kann man die richtigen Fragen stellen und das Gespräch führen. Ist man nicht im Bild, merkt dies der Interviewpartner rasch. Man riskiert, die Kontrolle über das Gespräch zu verlieren.
  • Die wichtigen Fragen vorbereiten: Nichts geht über eine Vorbereitung eines massgeschneiderten Fragekatalogs. Dank dem Vorwissen zu Etappe und Fahrer kann man gezielte Fragen stellen, die den Interviewpartner sowie das Fachpublikum überzeugen.
  • Gelassen bleiben: Radfahrer sind nahbare Superstars. Umso grösser war meine innere Aufregung, einem Idol gegenüberzusitzen. Davon sollte der/die Interviewte aber nichts merken. Alles soll professionell ablaufen. Die Frage nach einer signierten Trinkflasche oder anderen Fan-Artikeln: ein No-go.
  • Ein Vorgespräch führen: Der Interviewpartner ist auf der persönlichen und emotionalen Ebene oft eine Black-Box. Man weiss noch nicht, wie die Person reagiert. Da kann ein lockeres Vorgespräch mit ausgeschaltetem Mikrophon helfen. Das ist sympathisch und bricht das Eis. Das Interview wird gleich viel lockerer.
  • Auf den Interviewpartner eingehen: Einfach nur die vorbereiteten Fragen stellen? Keine gute Idee! Gut zuhören ist die Zauberformel. Man hat die Aussensicht, der/die Leistungssportler die Innensicht. Diese beiden Perspektiven aufeinanderprallen zu lassen ist sehr spannend und ermöglicht ein spannendes Gespräch. Zudem kann man gezielt nachhaken bei spannenden Aussagen.
  • Immer den Gesprächs-Lead behalten: Das gelingt durch Vorwissen und dem guten Mix zwischen vorbereiteten Fragen, spontanen Fragen und rotem Faden. Damit vermeidet man peinliche Redepause oder ein:e Sportler:in, die das Gespräch an sich reisst.
  • Genug Zeit für Fragen aus dem (Fach-)Publikum und für die Moderation einplanen: Nach dem Q&A mit dem Interviewer wird das Wort den anwesenden Journalist:innen übergeben. Da kommen möglicherweise kritischere Fragen. Es sind aber auch die Aspekte, die in der Berichterstattung Beachtung finden. Die Fahrer werden jeweils von ihren  Pressesprechern begleitet. Hier ist eine geschickte Moderation mit genügend Zeit und taktvollem Abmoderieren Trumpf.

Spannungsfeld ‚Corporate Interviewing‘ vs. Journalismus

Es gab auch 2022 heikle Themen im Radrennsport: Klassiker, wie. Dopingverdächtigungen oder eher neue Themen, wie der Umgang mit Corona-positiven Fahrern. Hier gilt es für einen ‚eingebetteten‘ Corporate Interviewer auch, sich klar von der Rolle der Medienschaffenden abzugrenzen.

Beim Corporate Interviewer liegt der Fokus mehr auf Aspekten der Tour, der Etappen, der Fahrer und vor allem auf spannenden Hintergrundinfos, wie einem Rekordetappensieg oder einzelnen Leistungsgeschichten. Als ‚Interner‘ profitiert man hier davon, dass die Fahrer sich in einem Interview sicher fühlen und freier reden. Die Rolle der kritischen Betrachter oder investigativen Reporter kommt hierbei standesgemäss den Journalist:innen zu.

Weiterführend:

Foto: Tour de Suisse

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