In unserer Blog-Serie «Corporate Newsroom im Profil» fragen wir Kommunikationsverantwortliche, welche Strategien und Arbeitsweisen sie für die erfolgreiche Vermittlung ihrer Themen und Botschaften nutzen. Und welche Herausforderungen ihnen dabei im Newsroom begegnen. Die Serie gibt Einblick in die Praxis von Kommunikationsprofis und Corporate-Newsroom-Manager:innen.
Im heutigen Beitrag teilt Manuela Marra, Leiterin Newsroom & Medienteam der Schweizer Paraplegiker-Stiftung, ihre Erfahrung mit dem Newsroom-Modell.
Wie lange arbeitet ihr schon mit einem Corporate Newsroom?
Im Bereich Marketing und Kommunikation der Schweizer Paraplegiker-Stiftung sind wir Mitte 2019 auf das Newsroom-Modell umgestiegen. Dabei haben wir ab Tag eins zwei Newsroom-Aspekte konsequent gelebt: Vom Thema aus denken und damit auch immer stärker interdisziplinär zusammenarbeiten, und täglich eine Newsroomsitzung um Punkt 09.00 Uhr durchführen. Rückblickend war es ein riesiges Glück, dass wir noch vor der Corona-Pandemie gestartet sind, denn das hat uns den Wechsel ins Homeoffice und auf das hybride Arbeiten sehr erleichtert. Vor allem die tägliche Newsroom-Sitzung wurde zu einem verbindenden Element.
Worin liegt die bisher grösste Verbesserung?
Die schönste und wertvollste Verbesserung ist aus meiner Sicht, dass das Gärtchendenken über die Jahre immer kleiner und das WIR im gesamten Bereich Marketing & Kommunikation immer grösser wurde. Wir lernen voneinander und gestalten miteinander. Als kompetentes, interdisziplinäres Team mit tiefer Fluktuation, schaffen wir es, kommunikativ stark und nachhaltig nach innen und aussen zu wirken. Das zeigt sich u.a. an den seit Jahren steigenden Mitgliederzahlen (rund 2 Millionen) und Spendeneinnahmen, gehaltvolleren Medienberichten über Querschnittlähmung und unser Leistungsnetz, mehr Medienanfragen und -besuchen aber auch an deutlich mehr Bewerbungen als früher, wenn bei uns im Bereich Marketing & Kommunikation mal eine Stelle frei wird. Diese positive Entwicklung ist auch deshalb so erfreulich, weil alles, was wir täglich investieren und erreichen, Menschen mit Querschnittlähmung zugutekommt.
Was ist schwierig?
Innerhalb des Unternehmens nachvollziehbar Nein zu sagen. Christoph Moss hat einmal gesagt, das Newsroom-Modell funktioniere erst dann richtig, wenn es ins Unternehmen hineinwirke. Und das tut es bei uns. Es wissen zwar nicht alle 2000 Mitarbeitenden der Schweizer Paraplegiker-Gruppe, was mit Newsroom gemeint ist, aber ganz viele wissen, dass es das bei der Stiftung (Dachorganisation der Gruppe) gibt und man sich dort melden kann oder sollte – z.B. nach erfolgten Interviewanfragen, beim Bedürfnis nach Kommunikationsberatung, Videos, Fotos, Audios, Übersetzungen, Grafiken, Flyern oder wenn jemand Themeninputs hat. Wir haben diese Vernetzung aktiv gefördert und dazu aufgerufen, sich einzubringen. Das hat irgendwann so gut geklappt, dass es zu viel wurde: zu wenig personelle Ressourcen für so viele Anfragen und Bedürfnisse. Wir wurden also eine Art Opfer des eigenen Erfolgs und mussten plötzlich immer öfter Nein sagen. Das stiess natürlich oftmals auf wenig Verständnis, half uns aber, besser zu werden: Wir waren gezwungen, noch viel besser auf unsere Kernthemen zu fokussieren und Themen zu priorisieren, um auch besser argumentieren und erklären zu können, weshalb wir gewisse Themen umsetzen und andere nicht.
Welches Highlight teilst du gerne?
Es gibt diverse Highlights seit 2019. Was ich sicherlich nie vergessen werde, ist die Jerusalema Challenge. Ein kurzfristig einberufenes Projekt, das Hühnerhaut, Freudentränen, einen starken SpiritOfNottwil und ein Stück Unbeschwertheit mitten in der Coronapandemie bewirkt hat – und nur dank Newsroom-Modell so rasch umgesetzt werden konnte.
An einem Montagmorgen – an der Newsroom-Wochenstartsitzung – haben wir alle ein Jerusalema-Video geschaut und entschieden, auf diesen Trend aufzusteigen. Es waren alle Marketing- und Kommunikationsmitarbeitenden aller Gruppengesellschaften anwesend. Wir waren uns einig, dass wir das erste Unternehmen der Schweiz sein wollten, das mit diesem Tanz viral geht. Die Ziele dahinter: Image stärken und uns als Arbeitgeberin mit starkem Zusammenhalt sichtbar machen. Da zu diesem Zeitpunkt die Tage der offenen Tür zum 30-Jahre-Jubiläum des Schweizer Paraplegiker-Zentrums abgesagt wurden, wollten wir den Tanz gleich nutzen, um uns zum Jubiläum in die Herzen der Menschen zu tanzen.
Dank des Newsroom-Modells waren wir bereits so gut vernetzt, organisiert und effizient in der Umsetzung von Projekten, dass wir über die kürzesten Entscheidungswege schnell vorankamen, parallel dazu eine Choreografie für Mitarbeitende mit und ohne Rollstuhl einstudieren und eine passende Kommunikationsstrategie ausarbeiten konnten. Über 200 Mitarbeitende aus allen Hierarchiestufen standen ein paar Tage später auf dem Vorplatz des Schweizer Paraplegiker-Zentrums und haben gemeinsam getanzt. Ein inklusiver Tanz, der von uns gefilmt und via Social Media veröffentlicht wurde, viral ging und viele Emotionen mit schönen Reaktionen ausgelöst hat – intern und auch bei der Bevölkerung. #Jerusalemachallenge – 30 Jahre Schweizer Paraplegiker-Zentrum auf YouTube.
Was habt ihr noch vor?
Wir wollen unter anderem im Bereich der Künstlichen Intelligenz einen grossen Schritt weiterkommen, Themen mehr ganzheitlich auswerten statt Kennzahlen einzelner Kanäle und generell unser rollenbasiertes und interdisziplinäres Newsroom-Modell weiterentwickeln. Nachdem wir über die vergangenen Jahre dutzende Unternehmen in Nottwil zu Besuch hatten, die mehr über unser Newsroom-Modell erfahren wollten, nimmt es uns jetzt natürlich Wunder, wie weit diese Unternehmen heute sind. Ich freue mich daher sehr darauf, viele dieser Unternehmen nun ebenfalls zu besuchen und dieses Mal von ihnen zu lernen.
Titelbild: SPS
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