Bürokratie 2.0: Meine Stadt ist mein Freund

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twitter_voegelIm Experimentierfeld Social Media macht es jeder anders. Städte und Gemeinden auch: Von harten Fakten bis zum kollegialen Dialog findet sich alles. Ein Augenschein.

Social Media ist aus den Kinderschuhen herausgewachsen – und steckt mitten in der Pubertät. Experimentieren ist Programm, wie man’s in Zukunft machen will, ist noch unklar. Das zeigt auch die Bandbreite der Social Media-Auftritte von Städten und Gemeinden in der Schweiz.

BE, ZH? Die Grossen enttäuschen
Die Städte Bern und Zürich verweigern sich und schauen lieber zu – hier findet sich weder Facebook noch Twitter von offizieller Seite. Ein unbesetzer Platz, der gerne von andern eingenommen wird. Bei stadt.be sieht man erst auf den zweiten Blick: Das ist kommerziell nicht offiziell. Zürich hat immerhin schon eine Seite registriert – wenn auch kaum auffindbar und leer.

Am Anfang steht das Zwitschern
Am meisten Zulauf hat Twitter. Klar, hier kann man niederschwellig Präsenz markieren und Botschaften absetzen. Im Gegensatz zur Facebookseite ist kein Inhalt als Rahmen nötig. Winterthur zwitschert regelmässig harte Fakten: Polizeimeldungen, Unfälle, Verwaltungsinfos. Informativ, aber das Gefühl für die Kulturstadt bleibt da etwas auf der Strecke. Langenthal betreibt auf Twitter hyperaktiv Medienbeobachtung: Die rund acht Tweets pro Tag sind mehrheitlich Links auf Artikel zur Region.

St.Gallen: doppelt genäht hält besser
St.Gallen zwitschert regelmässig auf Twitter und bietet dort eine Mischung aus News, direkter Auskunft und Tipps an. Sehr gut gefällt mir, die klare Benennung als offizielle Seite der Stadt inklusive Kommunikationsteam und Kontakt. Statt Facebook als Stadt zu nutzen, hatte sich die Stadt mit mySG ein eigenes Netzwerk-Portal aufgebaut, in dem sich alles um St.Gallen dreht. Das Forum wird rege genutzt, also scheint das Portal zu funktionieren. Trotzdem ist die Stadt seit gestern auch auf Facebook und überzeugt bereits mit hilfreichen Informationen und Tipps. Hier wird professionell Social Media betrieben.

Lenzburg: mein Facebook-Freund
Ein Kuchen zum Dreikönigstag, das Smiley am Satzende und viele Bilder auf der Facebook-Pinnwand: die Stadtverwaltung Lenzburg gibt sich ziemlich kollegial. Ich fände etwas mehr aktuelle Infos zum Stadt-Alltag begrüssenswert. Allerdings sind Stadtplan, Agenda und Service an anderer Stelle als Link auf die Webseite ansprechend und übersichtlich eingebaut. Auf Twitter schweigt Lenzburg noch.

Amriswil: sehr sympathisch
Der Auftritt von Amriswil war eine Überraschung, die rundum überzeugt: Auf Twitter und Facebook kriegt man ein Gefühl für das Städtchen und bekommt News und Mehrwert. Ob ein Strassenfest, Resultate der Gemeindeversammlung, eine neue Ausstellung oder Leistungen von aussergewöhnlichen Einwohnern – stolz verkündet Amriswil, wieso es sich lohnt, hier zu leben und was sich die Einwohner gerade nicht entgehen lassen sollten. Der ansprechende Inhalt dürfte allerdings gerne in etwas höherer Frequenz aktualisiert werden, vorausgesetzt das Geschehen im kleinen Amriswil erlaubt das.

Best Practice im Wandel
In der Pubertät wandelt sich die Realität schnell. Gerade als ich meinen Blogbeitrag beenden wollte, schaltete St.Gallen seine Facebook-Seite frei und kommunizierte das auf Twitter. Fazit: Wer bei Social Media wissen will, was Best Practice ist, muss zuhören, dran bleiben, umdenken und auch mal neu schreiben.

bernetblog vom 13.12.2010 «Social Media und Verwaltung: Stadt Amriswil»

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Beiträge

  • Sehr schöne Übersicht und schön zu sehen, dass die Städte und Gemeinden in der Schweiz allmählich auf den Social Media Zug aufspringen.

    Zürich hinkt hier in der Tat ziemlich hinterher. Wiederum andere scheinen sich allerdings gut zurecht zu finden und nutzen den Social Media Kanal für einen echten Mehrwert. Man darf gespannt sein, wohin sich das ganze entwickelt.

  • Interessanter kurzer Überblick über den Social Media Einsatz in öffentlichen Verwaltung. Tatsächlich ist es in Winterthur so, dass wir erst erste Gehversuche machen. Das Thema Social Media muss künftig im Kommunikationskonzept der Stadt intergriert sein. Eine wichtige Frage ist aus meiner Sicht aber noch nicht beantwortet. „Was erwartet die Bevölkerung von öffentlichen Verwaltungen auf den Social Media Plattformen“ überhaupt.

  • Zu sehen, dass immer mehr Gemeinden und Kantone auf Social Media setzen, macht Freude. Es sind sicherlich noch nicht ganz so viele, aber wie auch im Beitrag angesprochen, werden es täglich mehr.

    Auch wir bei ch.ch werden unser Social Media Engagemtent ausbauen. Seit letzten Herbst zwitschern wir auf @ch_portal. Und ab Sommer werden wir auch auf Facebook vertreten sein. Mal schauen, wer bis dahin alles auch den Schritt wagt.

  • Besten Dank für die rege Diskussion und die Feedbacks! @Christof Zech: Die Frage, was die Bevölkerung erwartet lässt sich beantworten, in dem man schaut, was funktioniert. In den Social Media-Auftritten, in denen der Dialog lebendig ist, werden die Bedürfnisse und Erwartungen richtig bedient. Um zu wissen, was das genau ist, bleibt nur: experimentieren, zuhören und dranbleiben.
    Eine grundsätzliche Erwartung, dass die eigene Stadt eine Social Media-Präsenz hat, ist noch nicht da – aber so wie sich Social Media entwickelt, wird diese Erwartung mittelfristig entstehen.

  • Ich denke nebst Social Media müssen Öffentliche Verwaltung auch über Mobile Angebote nachdenken. Hier steckt noch ein grosses Potential. Heute geht man davon aus, dass erst ca. 10 % der Handy-Nutzer mobil im Internet surfen. Dies wird sich in absehbarer Zeit bestimmt verändern und immer mehr Anwenderinnen und Anwender werden ein Bedürfnis nach mobilen Anwendungen haben. Dieser Entwicklung folgt die Stadt Winterthur mit dem Browser basierten Angebot m.winterthur.ch wie auch mit der iPhone App http://itunes.apple.com/ch/app/winterthur/id416513092?mt=8

  • Eine App als Stadt. Sehr schöne Idee. Als ehemalige Winterthurerin ist die App natürlich inzwischen auf meinem iPhone. Test folgt 🙂

  • In Deutschland entdecken auch immer mehr Städten und Gemeinden Social Media für sich. Ich stelle mir das als Zuständiger in der Verwaltung recht mühsam vor. In den meisten Stadträten sitzen ja doch oft konservative Damen und Herren bei denen man gewaltige Überzeugungsarbeit leisten muss. Schön zu sehen, dass die Schweiz hier mit gutem Beispiel voran geht.