Unternehmen 2.0: interne Anwendung von Social Media

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Unternehmen beschäftigen sich mit externen Social Media Aktivitäten. Warum auch intern anwenden? Was sind Erfolgsfaktoren? Klaus Tochtermann zeigte wie das ZBW Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft zur Bibliothek 2.0 wurde.

Zwei Drittel der Schweizer Unternehmen, Behörden und Organisationen pflegen aktiv Auftritte auf Social Media (Bernet ZHAW Studie Social Media Schweiz 2012). Über Social Media wird diskutiert und referiert, doch der interne Gebrauch rückt erst nach und nach in den Fokus.  Warum soll ein Unternehmen Social Media intern anwenden? Dieser Frage ging das 13. «Excellence-in-communication Lecture» der Università della Svizzera italiana und des Harbour Club nach. Unter dem Titel «Enterprise 2.0; The in-house use of social media and its implications for the organization» zeigte Klaus Tochtermann, Direktor der ZBW Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft und Professor an der Universität Kiel seine Erkenntnisse auf.

Suche nach Vorbildern
Die ZBW, die Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften, Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft, ist mit über vier Millionen Publikationen Print und Online und über 30’000 abonnierten Zeitschriften die weltweit grösste Spezialbibliothek für Wirtschaftswissenschaften. Für die Einführung von Social Media im traditionellen Unternehmen studierte Tochtermann Cases und das Erfolgsrezept von Unternehmen, die den Dreh zu 2.0 geschafft hatten. Ein Best Practice Beispiel aus der Autoindustrie war für ihn beispielsweise Seat. Henkel setzte intern Social Media für Social Forecasting ein, die Mitarbeiter testeten also Produkte und Henkel «las» die Ergebnisse vor der Umsetzung auf dem Markt. Unternehmen, die Social Media zum Knowledge Management einsetzten, konnten ebenfalls Erfolge verzeichnen. Einen guten Überblick von Fallstudien zur Anwendung von Social Software in Unternehmen bietet e20cases.

Erster Versuch, erste Erkenntnisse
Bei seinem Start als Direktor 2010 lancierte Tochtermann einen Blog und sah sich mit kritischen Feedbacks und intensivem Feedbackbedarf konfrontiert. Wie bei der Öffnung für Social Media mit externen Zielgruppen öffnet man sich auch intern. In Fall von Tochtermann  war es das erste Mal überhaupt, dass sich der Direktor so unmittelbar mit den Mitarbeitern in Verbindung setzte – mit direkter Feedback-Möglichkeit. Und die wurde rege genutzt.

Erkenntnisse daraus sind:
– Anonyme Kommentare erlauben, denn wie Tochtermann sagte «I knew the people anyway»
– Reagieren: antworten auf Kritik. Und Lob.
– Die Verbreitung von interner Information beschleunigen
– Erhöhte Transparenz
– «Loslassen», die Mitarbeiter machen lassen (mit Guidelines…»
– Intern und extern sind nie komplett trennbar, Inhalte aus internen Diskussionen können auch nach draussen dringen
Mittlerweile ist Social Media extern wie intern organisiert mit einer eigenen Abteilung mit sieben Personen. Und der Blog wurde beibehalten.

Erfolgsfaktoren für Social Media intern
Nach der Lancierung des Blog, eines Wikis, verschiedenen Testprojekten und laufenden Erkenntnissen fasst Tochtermann die Erfolgsfaktoren knapp zusammen:
– Wiki: Initialer Inhalt, Verbindung zwischen informellem und  unternehmensbezogenem Wissen, klar definierte Rolle des Wiki
– Blog: Regelmässige Aktivität, bloggen in der Arbeitszeit, Kommentar-Kultur
Der Hauptnutzen von Social Media intern ist bei der ZBW Knowledge Management. Der Zugang zum Wissen konnte erleichtert und sogar um 70 Prozent beschleunigt werden.

Unternehmenskultur beeinflusst Erfolg
Der Erfolg der Einführung von Social Media intern ist auch eine Frage der Unternehmenskultur. Gerade mal 10 Prozent der CIO’s der Fortune 250-Liste sind auf Social Media aktiv. Wer seine Mitarbeiter für Social Media begeistern will, sollte mit gutem Beispiel vorangehen.

Wo macht der Einsatz Sinn
Eine Analyse von Zielen und Bedürfnissen zeigt auf, welche Social Media Kanäle intern angewendet werden sollen. Dieses Vorgehen ist bereits aus der externen Nutzung bekannt. Folgende Fragen unterstützen die Analyse:
– Wo bewegen sich die Mitarbeiter bereits?
– Für welche Kanäle gibt es Inhalt?
– Wie können wir bestehende Prozesse über Social Media optimieren?
Ein Kanal, der sich für den externen Nutzen eignet, ist intern vielleicht nicht geeignet. Gerade beim Microblogging sowie für den Entscheid ob eine bestehende oder eine eigene Plattform genutzt wird, gibt es einiges zu beachten:
Microblogging: Die Kultur des Zuhörens und Beobachtens beim Microblogging führt dazu, dass nur ein Prozent der User wirklich aktiv am Dialog teilnimmt. Folglich ist Microblogging im Unternehmen erst ab einer grossen Anzahl Mitarbeiter erfolgsversprechend. Zudem muss das Unternehmen genug (für das Microblogging) spannende Themen haben. Bestehende Instrumente wie E-Mail helfen den neuen Kanal bekannt zu machen.
– Wahl Plattform: Wer bestehende Plattformen intern nutzt, muss sich bewusst sein, dass dies rechtliche Konsequenzen hat. Beispielsweise gibt man oft das Recht am Inhalt ab. Schliesst ein Dienst oder möchte man die Inhalte exportieren, wird das kompliziert. Eine eigene Plattform ist «geschlossener» für den internen Zweck und die Rechte für den Inhalt liegen beim Unternehmen.

Brauchen wir das?
Was geschieht mit Unternehmen, die bei 1.0 stehen bleiben? Da lohnt sich laut Tochtermann die Überlegung, ob Generationen wie seine, also vor den Digital Natives, wohl eine Arbeitsstelle bei einem Unternehmen ohne Telefonsystem angenommen hätten. Einleuchtend.

Keine gravierenden Neuheiten, einige Denkanstösse
Der Einblick in ein Unternehmen, welche seit zwei Jahren Social Media für interne Zwecke nutzt, ist interessant. Die Erkenntnisse daraus decken sich grösstenteils mit den Erfahrungen aus der externen Anwendung. Gerade was die Blog-Erkenntnisse betrifft. Spannend wäre mehr Einblick in einzelne Projekte, Kanäle und daraus folgende Entwicklungen gewesen.
Die Relevanz für die interne Anwendung ist sicher gegeben. Und in der nächsten Zeit wird es wohl einige Erkenntnisse aus Studien und der Praxis geben. Doch intern wie extern sind Social Media kein Allzweckmittel. Sondern sie dienen zum Verstärken der bisherigen Aktivitäten. So sagte Tochtermann auch, dass er den «Innovativ-Status» der ZBW geniesse, jedoch nach wie vor die «klassischen» Dienste rege genutzt seien. Zu merken bleibt für mich:
– Auch für traditionelle Unternehmen kann Social Media intern eingesetzt werden
– Nicht alles funktioniert – extern wie intern. Die Analyse hilft individuelle Lösungen für jedes Unternehmen zu finden.
– Die Inspiration nicht vergessen. Und mal alles aus einer anderen Perspektive betrachten. Dazu ein schönes Beispiel ist der Film «The art of publishing»:

Weiterführende Links:
– bernetblog-Beitrag «Social-Media-Monitoring: Durchblick im Dschungel»
– bernetblog-Beitrag «Issues Monitoring: Mitarbeiter als bester Radar»
– bernetblog-Beitrag «Social Media Gipfel: Social Intranet – ist E-Mail tot?»
– ZBW Leibnitz Informationszentrum Wirtschaft Social Media Guidelines
– Überblick von Fallstudien zur Anwendung von Social Software in Unternehmen e20cases

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Beiträge

  • Vielen Dank für die hervorragende Zusammenfassung meines Vortrags. Inhaltlich geben Sie sehr schön wieder was ich versuchte zu vermitteln. Ein wichtiger Aspekt, der aus der Diskussion deutlich wurde ist, dass es praktisch keine Grundlagenforschung zu Social Media in Unternehmen gibt. Die ganze stattfindende Forschung ist sehr empirisch und auf Fallstudien basiert. Wir wollen das ändern und haben vor diesem Hintergrund einen großen Forschungsverbund Science 2.0 ins Leben gerufen. Infos dazu findet man unter http://www.leibniz-science20.de/

    Viele Grüße
    Klaus Tochtermann