Twitter im Profil: Seraina Scherer #lesezirkel

/

Ein Lesezirkel auf Twitter: Im #lesezirkel mit dem Profil @tw_lesezirkel stimmt man über die Lektüre ab, liest in Etappen, twittert dazu und zieht am Schluss ein Resümée. Ein Beitrag aus unserer «Twitter im Profil»-Rubrik mit eigener Erfahrung. 

Die Tweets des #lesezirkel sind mir immer wieder in meiner Timeline via Seraina Scherer begegnet. Sie ist Bibliothekarin und Fachreferentin für Soziale Arbeit an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Bei der letzten Buchauswahl klinkte ich mich im #lesezirkel ein. Und hatte gleich doppelt Premiere: Erstmals mitlesen beim #lesezirkel und mein erstes E-Book. Mitlesen darf, wer will. Die einzige Regel: Nicht spoilern. Das heisst, die Leseabschnitte zu berücksichtigen beim Twittern und die Handlung so nicht im voraus zu verraten. Gelesen wird im eigenen Tempo, auf Papier oder Bildschirm. Seraina Scherer beantwortet die fünf Fragen zur Twitter-Präsenz des #lesezirkel.

Wieso ist der Lesezirkel auf Twitter vertreten?
Nach einer längeren Reise im Sommer 2011 mit einem guten Freund, während der wir per Zufall beide gerade die Larsson-Trilogie verschlungen hatten, habe ich mich daran gewöhnt, mich regelmässig mit jemandem direkt über das Gelesene auszutauschen. Nach meiner Rückkehr wollte ich das weiterhin. Aus einer Laune heraus fragte ich im August 2011 meine Follower auf Twitter, ob jemand Lust hätte, gleichzeitig das gleiche Buch zu lesen und sich via Tweets darüber auszutauschen. Vom grossen Anklang, den meine spontane Idee fand, bin ich immer noch überrascht. Seither gibt es den #lesezirkel auf Twitter. Am Anfang noch via meinen persönlichen Account @serscher, bald schon mit eigenem Account via @tw_lesezirkel.

Welches inhaltliche Konzept besteht für den Auftritt?
Ganz ehrlich: Keines. Also jedenfalls kein erarbeitetes, in der Theorie entwickeltes Konzept. Als Ablauf hat sich in den letzten drei Jahren jedoch folgendes bewährt: Wir schlagen eine Buchtitel auf Doodle zur «Abstimmung» vor und jeder stimmt für seinen Favoriten. Um das Ganze zu erleichtern, wird auf dem Blog twitterlesezirkel.ch für jeden Titel eine Rezension oder Kritik verlinkt, oder ein kurzer Kommentar wie z.B. «von den Buchhändlerinnen vom Buchladen Rapunzel empfohlen», «vom Twitterer/von der Twitterin XY vorgeschlagen», usw. Wenn der beliebteste Titel feststeht, haben alle Interessierten ein paar Tage Zeit, sich das Buch in der gewünschten Form zu kaufen, in der Bibliothek auszuleihen, auf ihren E-Book-Reader herunterzuladen oder als Hörbuch zu besorgen. Auf dem Blog werden danach die sogenannten «Twitter-Abschnitte» (meisten maximal 100 Seiten) festgelegt: Während eines bestimmten zeitlichen Rahmens (meist eine Woche), darf dann nicht weiter als bis zur festgelegten Seite getwittert werden. Die einzige «Regel» des gemeinsamen Lesens im Twitterlesezirkel: Bitte nicht spoilern.

Toll ist, das jede und jeder in seinem eigenen Tempo lesen kann – nur getwittert wird nach den fix vereinbarten Abschnitten. Ich kenne einige der Mitlesenden persönlich und weiss, dass einige die Bücher teilweise an einem Wochenende durchlesen und zum Beispiel Tweets bereits vorbereiten und in den Entwürfen abspeichern. Andere steigen erst zu einem späteren Zeitpunkt ein lesen nach.

Gewünscht und interessant ist der aktive Austausch aller via Tweets und abgemachten Hashtags: #lesezirkel hängen wir immer an, und wenn nötig, jeweils noch einen spezifischen, kurzen Hashtag für das aktuelle Buch. So werden alle betreffenden Mitteilungen in der Suchfunktion gefunden und auf dem Blog in einem Twitterfenster zusammengefasst.

Wie gross ist der Zeitaufwand und twitterst du immer selbst?
Pi mal Handgelenk benötige ich etwa eine Stunde pro Tag, bis gut zehn Stunden pro Woche. Darin mit eingerechnet sind die Besuche in Buchhandlungen, Surfen im Internet, um Rezensionen zu lesen, Diskussionen mit anderen Leseratten, Bloggen, Beantwortung von E-Mails und andere projekt-bezogene Anfragen sowie der Austausch mit den Mitzirklerinnen und Mitzirklern. Bis im November 2013 habe ich das Projekt alleine gestemmt und immer persönlich getwittert. Von Dezember 2013 bis März 2014 hat mich erneut das Reisefieber gepackt und ich war länger im Ausland unterwegs. Es hätte mir das Herz gebrochen, wenn wegen meiner Reise das Projekt Twitterlesezirkel zum Erliegen gekommen wäre, aber ich wollte mich während des Reisens auch nicht ans Internet ketten. So musste eine Lösung her: Einer der aktivsten Mitleser war Patrick Seemann, bei Twitter als @nohillside unterwegs. Ich kannte ihn zwar nicht näher, hatte ihn jedoch im Frühling 2013 anlässlich eines Lesezirkel-Treffens persönlich getroffen. Für mich war er  der Richtige für eine «Stellvertretung» während meiner Reise. Ich überfiel ihn mit einer E-Mail-Anfrage und hatte riesige Freude, als er mir zusagte, obwohl er als voll berufstätiger Familienmensch ein straffes Zeitmanagement hat. Da er das Projekt während meiner Abwesenheit toll organisiert hatte, kam mir nach meiner Rückkehr die Idee, ihn um seine ständige Mithilfe und Mitarbeit zu bitten. Seit ein paar Monaten sind wir zu zweit «hinter den Kulissen» tätig. Ich möchte Patrick an dieser Stelle gerne wieder einmal ein grosses «Merci» aussprechen, für seine tolle Unterstützung und die Leidenschaft fürs Lesen, die wir teilen und die das ganze Projekt überhaupt erst ermöglicht.

Lohnt es sich?
Ja. Obwohl der Twitterlesezirkel materiell gesehen überhaupt nichts einbringt und alles in der Freizeit geschieht – möchte ich den Austausch mit den anderen Twitterinnen und Twitterern nicht mehr missen. Durch das Projekt habe ich viele Bücherwürmer aus der Schweiz und dem nahen deutschsprachigen Ausland kennengelernt, was mich freut.

Was ist die wichtigste Erfahrung mit der Twitter-Präsenz?
Es ist nicht immer einfach, sich in 140 Zeichen auszudrücken. Trotzdem schafft man es, tiefgründige oder philosophische «Diskussionen» (über gelesene Bücher) zu führen. #ilike Und: Twitter ermöglicht dir, Gleichgesinnte zu finden, egal welches deine Leidenschaft ist! Woher du kommst und wer du im realen Leben bist, spielt dabei eine untergeordnete Rolle.

Eine Bereicherung
Was bringt mir der #lesezirkel als Leser? Ich profitiere von neuen Ideen zum Lesen, werde immer wieder an die Lektüre erinnert und kann mich austauschen. Meine Sorge, das hektisch getwittert wird und man kaum folgen kann, wurde nicht bestätigt. Teilweise wünschte ich mir fast, dass mehr untereinander gesprochen als nur bemerkt wird. Der gemässigte Dialog zeigt aber: Das Lesen an sich bleibt am wichtigsten. Das Twittern ist eine Ergänzung, zum möglichen Austausch und nicht zur Pflicht. Von mir aus kann die nächste Runde bald starten. Und das Fazit zum Lesen am Bildschirm: erstaunlich gut.

Weiterführende Links
– Alle Beiträge aus der Rubrik «Twitter im Profil»
– Der Blog zum Twitterlesezirkel 
– Twitter -Leitfaden von Bernet_PR auf slideshare oder auf unserer Wissensplattform bernet.ch/wissen als PDF
– Anstoss Newsletter zu «Online Publishing: Ansätze und Phasen zur Konvergenz»

  • Kategorien
  • Tags

Kommentieren

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

* Pflichtfelder