Politik im Netz: Digitaler Wahlkampf für die #WahlenCH19

Der nationale Wahlkampf ist ein bisschen wie Weihnachtsverkauf. Irgendwann zu Herbstbeginn rollt er wie ein Tsunami an. Wahlwerbung ist omnipräsent – analog und digital. Parteien und Kandidierende investieren in Plakate, Flyer, Stände, Inserate. Die Gegenwart und Zukunft gehört aber vor allem dem Digitalen und dem Social Web.
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Aufgestellt strahlen Kandidierende in Plakatwäldern um die Wette. Flyer aller Couleur im Briefkasten zeugen von ungezielter Werbung und verstärkter Abholzung. Gut gelaunte, übernächtigte Kandidierende drücken einem gebrandete Taschentücher, Gummibärchen, Feuerzeuge vor dem Supermarkt in die Hand. Statistisch gesehen ist der Nutzen von Verteilaktionen punkto Wählermobilisierung zweifelhaft. In Kantonen wie Bern oder Zürich müsste man über vier Jahre täglich Guetsli verteilen, um von jedem wahrgenommen zu werden. Die Ochsentour der Verteilaktionen dient vielmehr der Imagepflege als volksnahe Politiker*innen – präsentiert als Foto oder Video auf Social Media. Oder genutzt als Aufhänger für die Medienarbeit: Taschentücher mit Kandidierenden-Gesicht erzielen verständlicherweise weniger Newswert, als bizzare Giveaways wie Vibratoren.

Trend: Hybrid mit digitalem Ausbau
Obwohl Plakate und Flyer so schnell nicht verschwinden werden, ist klar: Wahlkämpfe verlagern sich in der Schweiz ins Digitale und auf Social Media. Datamining, Micro-Targeting, Crowd Mobilizing sowie Storytelling über Social Media sind Trumpf. Bei Wahlbeteiligungen von unter 50% ist es prioritär, die eigene Crowd, Basis, Wählerschaft zu mobilisieren. Digitales Profiling und Targeting ist zielführend und finanziell ressourcenschonender, als Giesskannenprinzip. Die FDP setzt auf datengestützten Tür-zu-Tür-Wahlkampf, die CVP stolpert über negatives Campagining mit Google Anzeigen, die SPS zapft ihre Telefondatenbank für die Basiskampagne an. Die Grünen und Grünliberalen setzen konsequent auf Digitalkampagnen. Kandidierende bauen ihre Social Media Kanäle aus. Sie hegen und pflegen ihre E-Mail-Verteiler und Whatsapp-Kontakte.

Spieglein, Spieglein an der Wand…
Zwei wichtige Aspekte unseres Wahlsystems sind, dass a) wie wild panaschiert wird und b) die grösste Konkurrenz für Kandidierende in der eigenen Liste ist. Kandidierende müssen also auf zwei Arten aus der Masse herausstechen. Social Media bieten sich hier für die persönliche Profilbildung und Personalisierung an: Parolen treffen auf Homestories. Das befeuert den Personalisierungstrend in der politischen Kommunikation (Stichwort: ‘Amerikanisierung’). Idealerweise haben Kandidierende ihr Profil mittels Storytelling und Personal Branding weit vor dem Wahljahr aufgebaut.

Wo sind die Kandidierenden und Parteien im Netz?
Im Hinblick auf #WahlenCH19 analysiert das Digital Democracy Lab der Universität Zürich den digitalen Wahlkampf. Mit Erstaunen stellt man fest, wie die Präsenz der Kandidierenden und Parteien im Netz verteilt ist. Ein paar interessante Einblicke:

  • Nur rund ein Drittel der Kandidierenden hat überhaupt eine eigene Website.
  • Facebook dominiert die politische Social Media Szene (im Gegensatz zu Twitter in den USA): 65% der Kandidierenden haben einen Account. Viele verfügen jedoch nur über ein Profil und keine Seite, mit der sie gezielt Werbung schalten könnten.
  • Tabellenführende 84% der FDP-Männer sind auf Facebook, verglichen mit nur 46% bei den CVP-Frauen.
  • Auf Instagram haben 38% der Kandidierenden Accounts. Die Plattform ist bei Deutschschweizer viel beliebter, als bei Romands oder Tessiner.
  • Die SVP- und GLP-Frauen sind vertrauter mit Instagram als alle anderen Kandidierenden.

Die ersten Zahlen des Digital Democracy Lab zeigen Trends und Skurrilitäten. Sie zeigen auch, dass der strategische digitale Wahlkampf in der Schweiz ein grosses Entwicklungspotenzial hat. Als Kommunikationsexperten begleiten wir diese Entwicklungen mit Spannung und aus nächster Nähe. Stay tuned für weitere Einblicke!

Bild: DigDemEye @DigDemLab

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