Journalist:innen im Web: Coen Kaat, Stellvertretender Chefredaktor IT-Markt & SwissCybersecurity.net bei Netzmedien AG

Social Media sind für Coen Kaat vor allem Mittel zum Zweck. Er nutzt sie, um Traffic auf den eigenen Websites zu generieren, zur Recherche und zum Anreichern von Beiträgen. Während er auf manche neue Kommunikationsformen verzichten könnte, steht er dem Einsatz von KI grundsätzlich offen gegenüber.
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Die Serie «Journalist:innen im Web» porträtiert Journalist:innen und ihren Alltag im Social Web im Rahmen einer qualitativen Studie von Bernet Relations und der ZHAW. Die Zusammenfassung und Auswertung der Studie erfolgt (bereits zum vierten Mal nach 2015, 2017 und 2019) im Frühling 2024. Der Hashtag zur Studie: #jstudie24.

«LinkedIn ist für meine Arbeit unverzichtbar. Ich nutze es, um Entwicklungen in der IT-Branche zu verfolgen, aber auch für erste Recherchen und als Stimmungsbarometer, um zu sehen, wie unsere Leser:innen auf bestimmte Themen und News-Meldungen reagieren», erklärt Coen Kaat, stellvertretender Chefredaktor IT-Markt & SwissCybersecurity.net bei Netzmedien AG. «Häufig finde ich gerade Informationen zu Stellenwechseln auf LinkedIn, noch bevor sie offiziell per Medienmitteilung kommuniziert wurden.» Diese Medienmitteilung, samt multimedialen Anhängen, bleibe in seiner Branche dennoch auch weiterhin der relevanteste Kommunikationskanal für Unternehmen, um Journalist:innen zu erreichen. «In den vergangenen zehn Jahren konnte ich diverse Experimente beobachten, beispielsweise Pressekonferenzen im Metaverse», sagt er. Zwar schätzt er die Zeitersparnis, die Onlinekonferenzen und Webcalls im Vergleich zu physischen Konferenzen mit sich bringen – doch sieht er nicht bei allen neuen Kommunikationsformen einen klaren Mehrwert.

LinkedIn als direkter Draht

Generell mache Social Media die Recherche nach und Kontaktaufnahme mit Personen sehr viel einfacher: «Auch ich selbst sehe und beantworte LinkedIn-Nachrichten mittlerweile häufig früher als E-Mails», sagt Coen Kaat. Auf Social Media kommunizieren die Netzmedien hauptsächlich mit Informant:innen, Expert:innen und Leser:innen. Es sei auch schon vorgekommen, dass er bekannte Expert:innen auf Diskussionen unter Netzmedien-Posts hingewiesen habe, sodass diese sich einbringen konnten. Wenn es um die Vertrauenswürdigkeit von Social Media geht, ist er skeptisch: Grundsätzlich seien sie nicht verlässlich. «Als Journalist zweifle ich aber immer an dem, was ich vor mir sehe – egal, ob es eine Insider-Info, ein Social-Media-Beitrag oder eine Meldung auf einer legitimen Website ist», sagt Coen Kaat. Infos seien erst dann vertrauenswürdig, wenn man sie mit unabhängigen Quellen verifizieren könne. Auf Social Media müsse man aber besonders kritisch sein. Weil Inhalte schnell geteilt und kopiert werden können, bewerte er mehrere Posts nicht zwingend als verschiedene, unabhängige Quellen.

Traffic, Traffic, Traffic

Beim Schreiben von Beiträgen sieht Coen Kaat weniger Einfluss von Social Media. Manchmal bette er einen Social Media Post als Anreicherung in einen Beitrag ein. Als Distributionskanal seien Social Media, allen voran LinkedIn, hingegen sehr relevant: «Mit unseren Posts verfolgen wir primär das Ziel, Traffic auf unseren Websites zu generieren», sagt er. Ein Grossteil ihrer Leser:innen informierten sich gezielt über LinkedIn. «Durch das Taggen von Personen und Hinzufügen von Hashtags erhöhen wir die Reichweite unserer News deutlich», sagt Coen Kaat. X  bedienten sie zwar auch via ihr CMS-System, die Plattform sei für die Distribution von Artikeln jedoch ungeachtet der neusten Entwicklungen schon lange weniger attraktiv gewesen, da sie primär von der Politik, Unternehmen und anderen Medien genutzt werde und weniger von den Leser:innen.

Ein eingespieltes Team

Das Posten von Beiträgen auf LinkedIn, Xing, X und Facebook unterliege bei ihnen gewissen formalen Vorgaben. «Prinzipiell erstellt der Autor eines Beitrags auch den Eintrag im CMS oder wo dies nicht möglich ist, direkt auf der Plattform, wie bei LinkedIn», erklärt Coen Kaat. «Unser Social-Media-Verantwortlicher und weitere Personen aus dem Team monitoren und bewirtschaften unsere Kanäle, gehen bei Bedarf auf die Autor:innen zu und halten das Team über Neuigkeiten und Entwicklungen auf den Plattformen auf dem Laufenden.» Der ganze Prozess sei so eingespielt, dass für das Alltagsgeschäft auf Social Media keine detaillierte Redaktionsplanung nötig sei. Der Social-Media-Verantwortliche wisse im Normalfall selbst, welche Beiträge er wo posten müsse; Spezialfälle bespreche man ad hoc und bilateral mit den leitenden Redaktoren.

Noch ohne künstliche Intelligenz

«In nicht allzu ferner Zukunft könnte künstliche Intelligenz (KI) das Publizieren von News noch weiter vereinfachen, indem sie beispielsweise aus bestehenden Texten Social Media Posts für unterschiedliche Kanäle ableitet, Hashtags hinzufügt und Personen taggt – also gewissermassen die Vorarbeit leistet», sagt Coen Kaat. «Ich finde, es spricht nichts dagegen, KI-Tools auch zur Qualitätssicherung oder zu Recherchezwecken zu nutzen, sofern diese öffentlich zugängliche Inhalte verwenden.» Eine KI wie etwa ChatGPT könne zwar auf eine Quelle hinweisen, aber selbst keine Informationsquelle sein, da sie Informationen verarbeitet, statt sie 1:1 wiederzugeben. Im Community Management betrachte er den KI-Einsatz hingegen kritisch: «Dort geht es schliesslich um den direkten Austausch mit unserer Leserschaft – also um den Kontakt zwischen Menschen.»

Steckbrief

Coen Kaat, 36
Stellvertretender Chefredaktor IT-Markt & SwissCybersecurity.net bei Netzmedien AG
Journalist seit 2013
Nutzt Facebook seit 2007
X (Twitter) seit 2014 (benutzt er unterdessen nicht mehr)
LinkedIn/Xing seit 2013
Instagram seit 2016
Reddit seit 2016

Weiterführend

Alle Artikel über unsere Studie «Journalisten im Web»

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